Forum Übersicht - RE: Neuer Tag, neues Glück - 2

Abwehrend wedelt Yresen mit den Händen. „Nein, nein! Behalt ihn nur! Ich trage ihn ohnehin nur in meiner Tasche spazieren. Dir steht sicher gut, ganz sicher!“ Sein Lächeln wischt etwas vom Ausdruck der Trauer und Gehetzheit aus seinem Gesicht. „Wenn er dir nicht gefällt kannst du ihn auch weggeben für Etwas das dir gefällt. Macht mir nichts aus, ehrlich!“ Für einen Moment lauscht er bevor er weiterspricht. „Aber ich weiß nicht ob du ihn eintauschen kannst.“ Jetzt senkt er seine Stimme nahezu zu einem Flüstern. „Er ist von Unten!“ Mit dem Zeigefinger deutet er auf den Fußboden. „Eine von ihnen hat ihn verloren.“ In seinen hellen Augen flackert für einen Moment wieder die Angst. „Sie werden ihn nicht haben wollen. Angst, verstehst du? Naja vielleicht die eitle Hübsche aus dem Silberkrug. Aber paß auf. Die ist schön aber kalt wie eine Jewakaschnauze. Ja, ja kalt wie eine Jewakaschnauze.“: wiederholt sich Yresen. Dann zögert er mit einer Antwort. Sieht Lenari an als ob er überlegt, ob er ihr ein Geheimnis anvertrauen kann. Zögernd fängt er wieder zu sprechen an: „Fällt mir leicht, mich zu orientieren. Ich merk mir wieviel Schritte, die Biegungen und auf welcher Ebene ich bin. Das geht ganz gut. Das vergesse ich auch nicht. Oh, nein! Das vergesse ich nicht.“ Dann senkt er wieder die Stimme und sieht Lenari auf eine fast schon komische Art an so als würde er sie jetzt in den Plan zur Ermordung der Regentinnen einweihen. „Aber ich habe was, das hilft mir, wenn ich mich einmal verirre.“ Er holt ein kleine Dose unter seinem Hemd hervor, die an Lederbändern hängt, in die ein Draht eingeflochten ist. Er öffnet den Deckel der Dose. „Ist auch von unten, aber schau.“ Er hält Lenari die Dose hin ohne sie auszulassen. In der Dose glimmt ein schwaches Licht, das an das Leuchten der Nachtseidenvögel erinnert. Ein Kreis ist auf dem Boden der Dose gezeichnet, der mit mit Strichen unterteilt ist und im Zentrum des Kreises ist ein glühender Zeiger angebracht. „Der Zeiger zeigt mit dem spitzen Ende immer in die gleiche Richtung, ganz egal wo du bist. So kann ich mich ganz leicht zurechtfinden. Verstehst du?“ Stolz sieht er Lenari an.

„Nein geschenkt ist geschenkt, das tausch ich doch nicht weiter !“ mit einem Lächeln zieht Lenari die Hand zurück und dreht den Ohrring zwischen den Fingern, während die Yresen zuhört. Als dieser von „unten“ spricht, hebt sie ein wenig irritiert den Kopf, schließlich sitzen die beiden gerade in einem Keller – darunter sollte noch etwas sein ? Sie lässt den Fremden dennoch erst einmal weitersprechen, ohne ihn zu unterbrechen, scheint es hier doch immer mehr Dinge zu geben, von denen sie noch nie gehört, geschweige denn Ahnung davon hat. „Schritte zählen ? Das ist ne gute Idee..wenn man weit genug zählen kann.“ stimmt sie ihm nach seinen Erklärungen leise zu, wirkt dabei umso neugieriger als sie sich über die kleine Dose beugt. „Das erinnert mich an die Dinger, die die Matrosen manchmal dabei haben – die haben aber noch nie so geleuchtet. Geht das Licht nicht irgendwann mal aus, so wie bei ner Kerze oder ner Öllampe ?“

Die Freude darüber, daß Lenari sein Geschenk angenommen hat, steht Yresen ins Gesicht geschrieben. Er scheint ihre Irritation zu spüren. „Ja, unten!“: sagt er bestimmt. „Es gibt viele Gänge und Kammern, viele Ebenen. Manche gefährlich, manche nicht. Aber ich geh nicht bis zu den Eisentoren!“ Er senkt seine Stimme. „Dort fängt ihr Reich an! Sehr gefährlich!“: erklärt er und in seinen Augen zeigt sich wieder der gehetzte Blick. „Da sehen sie dich. Ja, sie sehen dich.“ Bei Lenaris Frage beruhigt er sich wieder und antwortet ihr wieder in normaler Gesprächslautstärke: „Nein das Licht wird nicht schwächer, zumindest bis jetzt nicht. Ich weiß auch nicht wieso, ist sicher ein Zauber.“ Dann sieht er Lenari fragend an: „Was sind Matrosen?“

„Hm ein echtes Geheimnis. Na dann hoffe ich mal dass das Teil nicht aufhört zu leuchten wenn du grade irgendeinen dunklen Gang erforschst. Hast du noch mehr davon ?“ dass es nur eines dieser leuchtenden Dinger geben soll, hält Lenari für unwahrscheinlich. Sie lehnt sich wieder ein wenig zurück und zuckt mit den Schultern. „Ich hab keine Ahnung von welchen Eisentoren zu redest, da habe ich noch keine gesehen. Nur Holztüren oben in den Häusern. Und Metall bei der Schmiedin.“ sie legt den Kopf schief, während die über Yresens Frage kurz nachdenkt. „Matrosen ? Das sind Leute die auf Schiffen übers Wasser fahren, Fische fangen, Handel treiben und die Welt erkunden. Und manchmal auch andere Schiffe überfallen, wenn es sich lohnen könnte.“

„Ja, das hoffe ich auch.“: sagt Yresen mit einem Lächeln. „Ich zähle zwar die Schritte und habe für alle Fälle immer ein Feuerzeug und eine Kerze dabei, aber leichter ist es mit dem Wegfinder.“ Bedauernd schüttelt er den Kopf. „Wenn ich noch einen hätte, ich würde ihn dir geben. Ehrlich! Aber ich habe nur diesen.“ Jetzt senkt er wieder die Stimme. „Oben gibt es auch keine Eisentore, nur unten. Ich weiß auch nicht ob sie wirklich aus Eisen sind. Aus Metall sind sie sicher. Es sind Pforten zum Reich der Angma und da gehen auch die Yurei durch, wenn sie heraufsteigen in unsere Welt. Tief unten sind sie, auf der dritten Ebene, es gibt aber auch ein paar schon auf der zweiten Ebene. Ich kenne nicht alle und wahrscheinlich gibt es auch Tore in der Stadt. Zumindest Geschichten darüber gibt es.“ Als Lenari ihm erklärt was Matrosen sind, leuchtet freudiges Erinnern aus dem Blick. „Bachriki!“: entfährt es ihm. Aber schon im Moment des Erinnerns fällt wieder ein Schatten auf seine Gesichtszüge. „Für einen Moment habe ich mich erinnert. Ich hab mich erinnert und jetzt ist wieder alles weg.“ Tränen zeigen sich in seinen hellen Augen. „So ist es immer. Ich glaub mich an was erinnern zu können und dann ist pfffft einfach fort. Deshalb sagen sie ich bin verrückt. Aber ich bin nicht verrückt! Ich kann mich nicht erinnern, einfach nicht erinnern.“

„Ach das ist nicht schlimm, ist ja dein Licht.“ Lenari sieht sich im dämmrigen Halbdunkel um, lässt den Blick nach oben Richtung Loch in der Decke schweifen. „Ich fühle mich im Hellen sowieso wohler, so unter der Erde rumwandern ist glaube ich nicht so meine Sache.Praktisches findest, dann nehme ich dir gerne was ab.“ ein Lächeln huscht über ihr Gesicht, als ihre Erklärung eines Matrosen auf Zustimmung stößt. „Vielleicht hilft es ja, wenn du dich ein wenig unterhältst ? Dann kommt bestimmt noch mehr an Erinnerung zurück. Bist du schon lange hier ?“

„Ich weiß auch nicht, irgendwie machts mir nichts aus, hier unten herumzuwandern. Ja es gibt schon Tage da würde ich gerne in der Stadt herum spazieren, aber ich muß aufpassen. Sie sind hinter mir her. Ich habs dir ja erzählt.“ Yresen schaut sich kurz um, bevor er weiter redet. „Kommt drauf an was du unter praktisch verstehst. Ich hab hier eine ganze Menge Sachen. Werkzeuge, ein paar Waffen, Münzen, Behälter, Vasen solche Dinge. Aber auch viele Dinge von denen ich nicht weiß für was sie gut sind. Ich hab sie mitgenommen weil sie mir gefallen haben. Einfach so.“ Er lächelt und für diesen Augenblick ist der abgehärmte Ausdruck auf seinem Gesicht fast verschwunden. „ Vielleicht hast du Recht. Ich habe kaum Gelegenheit mit mit jemand zu unterhalten. Weißt du mit mir reden die nicht.“ Auf Lenaris Frage runzelt Yresen die Stirn. „Wie lang? Genau weiß ich es nicht. Weißt du ein Tag ist wie der Andere, ich renne und die sind hinter mir her. Und so geht es in einem fort. Aber ich glaube ich bin schon lange hier.“

„Wenn die ganze Stadt so unterkellert ist, dann...hmmm...“ Lenari überlegt einen Moment lang. „Kennst du das kleine Häuschen mit den großen Lantisgarten ? Da hab ich mich ein wenig eingerichtet – und da ist im Wohnraum eine kleine Klappe im Boden eingebracht. Ich hab so noch nicht aufgebracht, weil ich keine vernünftigen Hebel hab, aber vielleicht ist das ja kein Keller, sondern ein Weg nach unten ? Dann bräuchtest du nicht durch die Straßen laufen, sondern könntest so vorbeischauen....wenn du denn mal mit jemandem reden willst oder so.“

„Kleines Haus mit großem Lantisgarten?“: erkundigt sich Yresen und denkt einen Moment nach. „Ich glaube das kenne ich. Ist nicht weit zum Yubi von dort.“ Unschlüssig kratzt er sich seinen Stoppelbart. „Aber ich weiß jetzt nicht genau, ob das bloß ein Keller ist oder ein Zugang. Die meisten Häuser haben einen Keller, aber nicht jeder hat eine Verbindung. Da oben ist auch viel eingestürzt. Das ist nicht so solide wie weiter unten, weiß du.“ Aber dann kommt ihm erst zu Bewußtsein was seine neue Bekannte gesagt hat. „Du meinst du hättest nichts dagegen wenn ich dich besuchen komme? Ist das wirklich dein Ernst? Ich käme wirklich gern. Es ist schön sich mit dir zu unterhalten.“

„Na also – dann siehst du einfach mal nach, ob es da einen Zugang gibt oder nicht, oder ? So ist es nicht nötig, durch die Straßen zu laufen, wenn dir das zu gefährlich erscheint.“ schlägt Lenari vor. „ Ich werde versuchen, die Luke von oben zu öffnen, vielleicht hast du einen Hebel oder so etwas hier unten, den ich verwenden könnte ?“ fragend sieht sie zu Yresen hinüber, ehe sie fortfährt. „Ich unterhalte mich auch ganz gerne und hoffe natürlich, dass du mir hier den einen oder anderen Hinweis geben kannst, worauf man in der Stadt hier so aufpassen muss. Hast du die anderen Neuankömmlinge hier auch schon kennengelernt ?“

Yresen strahlt übers ganze Gesicht, selbst in den sonst so melancholisch blickenden Augen ist jetzt ein fröhliches Funkeln. „Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Ganz und gar nicht! Ich freu mich. Ich freue mich sehr, daß ich dich besuchen darf. Ich sag dir alles was du wissen willst. Ehrlich!“ Doch schon überzieht wieder ein Schatten sein hageres Gesicht. „Aber ich werde dich enttäuschen! Oh ja enttäuschen! Ich weiß nicht viel. Ich hab es dir schon gesagt, ich kann mich nicht richtig erinnern. Aber..“ Sein Gesicht nimmt einen entschlossenen Ausdruck an. „Das was ich weiß, sag ich dir. Versprochen! Und ja, ich hab was, mit dem du die Klappe im Boden aufmachen kannst. Wenn sie nicht total verklemmt ist. Dann hilft nur mehr ein Beil.“ Behende erhebt er sich. „Ich bin gleich wieder bei dir.“ Außerhalb des Lichtkreises der seltsamen Lampe kramt Yresen in einer Kiste. „Ach ja, da ist es ja.“ Zurück bei Lenari reicht er ihr ein circa sechzig Clat langes flaches Metallstück, dessen Enden bearbeitet sind. Ein Ende ist flach gehämmert, das Andere angespitzt. Das Stück Metall ist überraschend leicht und dünn. „Kannst du behalten, ich hab noch eins und keine Sorge, das bricht nicht.“ Dann nimmt er das unterbrochene Gespräch wieder auf. „Gesehen habe ich ein paar. Eine blonde Frau mit kurzem Haar, eine Dunkelhaarige, die mit Waffen vollgehängt ist, einen Riesen in Begleitung eines alten Mannes, eine andere Frau in einem wunderschönen blauen Gewand und einen Mann mit kurzem Haar. Aber dem traue ich nicht. Der hat die Augen eines Mörders. Geredet habe ich aber mit keinem, nur mit dir.“

„Wenn du mit keinem redest, dann weißt du auch nicht wie die Leute so drauf sind.“ gibt Lenari zu bedenken, ehe sie das Werkstück betrachtet, das Yresen ihr zur Verfügung stellt. Neugierig betrachtet sie das ein wenig seltsam geformte Metallteil. „Vielleicht passt das ja wirklich – vielen Dank ! Ich versuchs nachher gleich mal.“ die junge Frau lächelt Yresen an, ehe bei dessen letzten Worten ein leichter Schatten über ihr Gesicht zieht. „Naja, die anderen habe ich das erste Mal hier gesehen, keine Ahnung wem oder ob überhaupt man Fremden trauen kann. Aber so wie ich das sehe, kommt man hier an diesem seltsamen Ort alleine nicht so richtig weiter, daher sollte man wenigstens versuchen, sich niemanden vorschnell zum Feind zu machen.“

„Ich mach mir keine Feinde. Nein, nein, noch mehr Feinde kann wirklich nicht brauchen.“: sagt Yresen heftig und blickt zum ersten Mal seit geraumer Zeit wieder nervös über die Schulter. „Die Yurei sind hinter mir her. Ich habs dir ja gesagt.“ Er senkt seinen Blick. „Die Anderen, die mit dir gekommen sind, werden doch auch nur sagen das ich verrückt bin. Mit mir redet keiner, außer dir. Ich würde gern mit den Leuten reden. Es ist schlimm so allein und ohne jemand mit dem man reden kann. Aber der Mann mit den kurzen Haaren, nein, nicht mit dem. Ich sage dir etwas. Er hat den gleichen Blick wie ein Angma. Ich habe sie gesehen in den Eisenhallen. Kalt, seelenlos und tödlich. Nicht mit dem. Vielleicht haben sie ihn geschickt. Ja, geschickt. Sie haben ihn nach oben geschickt um uns zu holen. Ja das haben sie! Sieh dich vor, kleine Blume, sieh dich vor!“ Während er spricht wird Yresen immer nervöser. Schließlich schnappt er die seltsame Lampe und springt auf. Sein Blick ist gehetzt und sein Gesicht vor Angst verzerrt. „Ich muß gehen. Bin schon viel zu lang hier, viel zu lang.“ Dann erlischt die Lampe und Lenari kann eilige Schritte hören, die sich entfernen. Dann hört sie noch wie aus einem tiefen Brunnenschacht seine Stimme: „Besuchen, komm dich besuchen.“ Dann ist still in dem unterirdischen Gewölbe und die einzige Lichtquelle ist ein schwacher Schimmer der durch das Loch in der Wand fällt, durch das sie den Keller betreten haben.

Der recht abrupte Aufbruch überrascht Lenari sichtlich, so dass Yresen schon davongeeilt ist, noch bevor sie reagieren kann. Der Metallstück in den Händen, bleibt sie nur noch einen Moment lang im Halbdunkel sitzen,ehe sie kopfschüttelnd durch das kleine Loch zurück nach oben klettert und sich ihren Weg zurück durch den Garten auf die Straße sucht. Der helle Sonnenschein lässt sie die Augen zusammenkneifen, während sie sich auf den Weg zurück zu dem kleinen Häuschen macht.