Forum Übersicht - RE: Im Dämmerlicht - 2

"Was in aller Götter Namen ist denn nun schon wieder die erste Ebene?"

Nein, es klingt nicht vorwurfsvoll, es klingt schon gar nicht aggressiv, was Sundara hier in dieser Frage von sich gibt. Es klingt ziemlich verzweifelt. Es klingt nach jemandem, der gerne lernen möchte, aber aufgrund eines einfach zu geringen Vorwissens immer wieder an die Grenzen stößt. Diese Geste, mit der Daumen und Zeigefinger zu ihren Augen gehen und dann die Nasenwurzel reiben, unterstreicht diese Betonung noch. Dann sieht sie Yresen wieder an. Der Blick ist nun schon ganz und gar nicht mehr eines Röhrenbewohners, der auch nur daran denkt, dem Gegenüber intellektuell überlegen zu sein - so wie er unweigerlich immer dann eintritt, wenn jemand seinen Gesprächspartner für irr, für übergeschnappt hält. Ganz im Gegenteil - es ist etwas Trauriges darin, es ist ein Blick voller Selbstzweifel, voller, naja, man kann es fast schon Unterwürfigkeit nennen. Und wieder ist gar nichts mehr da von der mutigen, verwegenen Bogenschützin, die Sundara wohl manchmal zu sein scheint. Sie wirkt wie ein Kind, das unbedingt eine neue Tätigkeit erlernen will, aber immer wieder daran scheitert. Und in einem mit ihrer Mimik stimmigen Ton fährt sie dann auch fort: "Aber, Yresen, ich will doch nur verstehen, was hier vor sich geht. Wenn die anders denken als ich, dann will ich verstehen, wie sie denken. Ich will weg von hier. Also, nicht dass du mich falsch verstehst, nicht von dir, denn, und das muss ich dir einfach auch einmal sagen, nein, ich halte dich nicht für durchgeknallt. Aber ich mag nicht auf dieser Insel sein, ich will dahin zurück, das ich wenigstens für mein altes Leben ansehe. Ich weiß nicht, warum ich hier her gekommen bin. Ich weiß nicht, wie ich hierher gekommen bin. Ich weiß auch nicht, warum die sich gerade eine ganz und gar einfache Soldatin ausgesucht haben, die weder lesen noch schreiben kann, die nicht einmal sonderlich klug ist, die viel zu klein ist, um für Männer interessant zu erscheinen. Ich weiß..."

Der Satz bleibt unvollendet. In diesem Moment beginnt die Erde zu beben. Kurz nur, leicht nur. Und doch springt Sundara auf, als hätte sie eben hinter sich eine Pera-Spinne wahrgenommen, und um ein Haar springt sie Yresen in die Arme. In diesem Moment, in dem sie sich von ihrem Sitz wegdrückt, fasst sie den Bogen, und als sie also eine halbe Armlänge vor Yresen landet, hat sie auch schon einen Pfeil angelegt. Sie fährt einmal herum, um ihre eigene Achse. Nichts hat sich verändert in dem Raum. Sie lässt den Bogen wieder sinken.

"Was war denn das?" fragt sie. "Passiert das öfters?"

Auch Yresen springt wie von einer Smaragviper gebissen hoch, als das schwache Beben den Boden des Gewölbes beben läßt. Doch als nicht mehr geschieht, als das ein wenig Staub von der Decke rieselt, beruhigt er sich und setzt wieder hin. „Du bist höllisch flink damit.“: sagt Yresen anerkennend mit einem prüfenden Blick Richtung Decke bevor er wieder Sundara ansieht. „So weit ich mich zurück erinnern kann, hat es nie ein Beben geben.“ Für einen Augenblick denkt er konzentriert nach. „Nein und wenn dann kann ich mich nicht daran erinnern.“: antwortet er auf ihre Frage. Dann schweigt er einige Augenblicke um sich Sundaras vorgehende Worte durch den Kopf gehen zu lassen. „Ich versteh dich schon.“: sagt er mit gesenkter Stimme. „Ich weiß auch nicht warum ich hier bin und ich will auch nicht hier sein, immer auf der Flucht, wie ein Tikus vor den Jewakas. Aber du kannst dich wenigsten daran erinnern wo und wie du vorher gelebt hast.“ Yresen seufzt leise, aber dann ist der Moment des Selbstmittleids auch schon wieder vergangen und er lächelt: „Danke das du das gesagt hast! Ich meine das ich nicht verrückt bin! Aber...“ Sein Gesichtsausdruck zeigt für den Augenblick Ernsthaftigkeit und auch Aufrichtigkeit. „Ganz richtig bin ich nicht da Oben.“: sagt er leise und deutet dabei auf seine Stirn. „Zumindest nicht so wie mein bisschen Erinnerung mir sagt. Weißt du, früher habe ich es wie du gemacht, mich ständig gefragt, warum und wieso. Ich konnte nicht mehr schlafen und wäre wirklich fast verrückt geworden. Vielleicht gibt es für all das eine Erklärung, vielleicht auch nicht. Aber wenn du nicht damit aufhörst dir Fragen zu stellen, die du im Augenblick nicht beantworten kannst, dann wird es dir gehen wie mir. Nimm die Dinge wie sie sind. Die Angma sind da! Sie verfügen über große Macht und Magie, Punkt! Du kannst die Fläche eines Quadrats nicht berechnen, wenn du die Zahlen nicht verstehst! Das geht einfach nicht! Warum glaubst du trage ich all dieses Gerümpel hier zusammen? Das Meiste das ich finde hat keinen materiellen Wert hat und ich kann es auch nicht eintauschen!“ Er schaut Sundara direkt an.

„Es sind kleine Steinchen, wie von einem Mosaik. Ich schaue sie mir an und versuche sie irgendwie zusammen zu setzen und ein Bild zu sehen sehen, zu verstehen. Vielleicht ist das auch verrückt, aber für mich macht das Sinn. Kleine Schritte! Sich nur in etwas verbeißen, daß man höchst wahrscheinlich kauen und runterschlucken kann! Verstehst du was ich meine?“ Dann hebt er entschuldigen die Hände. „Zum Teil liegt es auch an mir, daß nichts kapierst. Tut mir leid, aber ich bin schon so lange hier unten, daß es für mich fast schon normal ist und ich mir gar nicht vorstellen kann, daß man sich hier unten nicht auskennt. Hör zu, ich versuch es dir zu erklären.“ Er dreht sich zu ihr. „Die erste Ebene ist das hier.“: sagt er und macht eine umfassende Handbewegung. „Die Keller und Gänge direkt unter der Erde. Stell es dir wie ein Haus vor, mit einigen Stockwerken nur nicht in die Höhe, sondern hinunter in die Erde. Ein Keller mit Stockwerken nach unten wenn du so willst. Die zweite Ebene, das sind teilweise uralte Gänge und Gewölbe und teilweise die Ausläufer oder nicht vollenedete Kavernen der Eisenhallen. Die dritte Ebene, das sind die Eisenhallen. Es gibt Zugänge auf den verschiedenen Ebenen und vielleicht auch auf der Oberfläche. In der ersten Ebene gehen die größten Gefahren von der Baufälligkeit aus und hin und wieder von Marodeuren, die sich hier verstecken. Auch unten in der zweiten Ebene gibt es Gänge die eingestürzt und zerstört sind, aber viel weniger als hier oben. Dort gehen die Gefahren von den Yurei und den Fallen aus. Wie weit die Eisenhallen hinunter reichen, das weiß ich nicht oder ich kann mich daran nicht erinnern. Schon die erste Ebene ist so groß, daß ich sie bis heute nicht an ihre Grenzen gestoßen bin. Viel größer als die Stadt oben.“ Dann schmunzelt er. „Weißt du, ich erinnere mich an ein Sprichwort. Man soll seine Kerze nicht im Kessel verstecken! Das machst du aber. Was hat Größe mit begehrt werden zu tun?“: erkundigt er sich. „Ein Zuber mit heißem Wasser und Seife und du siehst zum Anbeißen aus.“ Er schürzt ein wenig die Lippen. „Naja, deine Schultern sind ein wenig breit aber das stört nicht wirklich.“: erklärt er mit entwaffnender Offenheit.

Ja, viel hat wirklich nicht gefehlt, und Yresen wäre geradewegs in Sundaras Pfeilspitze gesprungen. Als sie dann ihre eigene Prüfung vollendet hat - wobei sie freilich in keinem Augenblick die eigentliche Gefahr, die ja geradezu von der Decke ausgehen MUSS, beachtet hat - sieht sie Yresen wieder an. Und in diesem Augenblick, bevor sich der doch etwas merkwürdige Mann wieder hinsetzt, stehen sie nun so nahe beieinander, dass kaum eine Handbreit zwischen ihre Nasenspitzen gepasst hätte. Wobei man da freilich davon absehen muss, dass sich Sundaras Nasenspitze doch ein gehöriges Stück unterhalb derer Yresens befindet. Und auch nachdem Yresen sich wieder setzt steht Sundara immer noch innerhalb dieses berühmten Abstands, den man in anderen Zeiten und anderen Welten als Komfortzone bezeichnen würden. Nun ja, viel scheint es ihr nicht auszumachen. Sie schaut Yresen wieder einmal an, wobei aus solch geringer Entfernung die Wirkung ihres intensiven Blickes wohl noch stärker sein dürfte.

"Nun mischen sich also die Götter auch noch in diese ganze Cacha ein... " murmelt sie zunächst noch, schmunzelt dann etwas und fügt hinzu: "Naja, irgendetwas wird die kleine Sundara wohl auch gelernt haben in ihrem Leben." Dann schweigt sie und hört aufmerksam zu. Freilich wirkt es, als würde sie mit den Augen wieder einmal vielmehr wahrnehmen von dem, das Yresen sagt, als sie es je mit den Ohren imstande wäre. Sie steht regungslos da, ihren Blick in dem seinen vergraben, bis er diese doch relativ lange Rede beendet hat. Dann erst macht sie einen kleinen Schritt nach hinten. Sie geht nicht zurück zu ihrem Sitz, sondern lässt sich einfach da, wo sie gerade steht, auf dem Boden nieder. Den Bogen mit dem aufgelegten Pfeil legt sie einfach neben sich, bevor sie mit ihrer Hand die Pfeile im Köcher daran hindert, herauszurutschen, während sie sich in den Schneidersitz begibt. Von unten schaut sie nun zu Yresen hinauf.

"Weisst du," sagt sie dann, "ich kann dich gut verstehen. Du bist auf der Flucht, und mir kommt es vor, als wäre ich auf der Jagd. Also sind wir beide rastlos. Vielleicht zu rastlos. Und wenn, dann sind wir wohl beide nicht richtig im Kopf. Wir versuchen beide zu verstehen. Du hast kleine Teilchen, aus denen du ein Ganzes zusammenfügen willst, ich habe ein Ganzes, aus dem ich Teil für Teil herauslösen muss, um draufzukommen, was das Ganze überhaupt ist. Du bist der Erste, seit ich auf dieser Insel aufgeschlagen bin, der mir irgendwie zeigt, wie ich es überhaupt anstellen soll, das Ganze zu kapieren. Und dafür stehe ich ganz tief in deiner Schuld. Aber ganz aufhören, mir Fragen zu stellen, das kann ich einfach nicht. Das kann ich solange nicht, bis ich der Meinung bin, diesen Brocken, der nun plötzlich vor mir liegt zu verstehen, zu beherrschen."

Wieder einmal kramt sie sich eine Zigarette heraus, steckt sie an, zieht daran. Dann schaut sie wieder zu Yresen hinauf. "Ich meine, was soll ich denn auch sonst tun, auf dieser Insel? Es sind nun einige Stürme, in denen ich jeden Tag aufgewacht bin, und jeden Tag war die einzige Frage, die mich beschäftigte, ob ich heute töten oder getötet werden würde. Ob wir vordringen könnten oder zurückgeworfen werden würden. Und wie lange es dauern würden, den Krieg endlich zu gewinnen. Gut, vielleicht doch mehr wie eine einzige Frage. Aber was ich sagen will: Nun bin ich hier, ich fühle mich wie ein Fisch auf dem Trockenen. Es gibt keinen Kommandeur mehr, ja nicht einmal eine Aufgabe, die es zu bewältigen gibt - wenn nicht die, eben zu verstehen, was überhaupt passiert ist. Wie kann ich also nicht mehr daran denken? Und die Tatsache, dass ich mit oder ohne Zahlen weder über das flache Quadrat rüber- noch rundherumrechnen kann, macht es wohl nicht viel einfacher. Und umso mehr bin ich eben darauf angewiesen, jemanden wie dich zu haben, der mir eben verklickert, dass ich, wenn ich mir ein Haus suche, mir eines auswähle, das einen Keller hat, am besten mit einem Gang dabei, um einen Ort zu haben, wo ich auch einmal von Denen ungestört sein kann."

Sie schaut Yresen an, mit einem warmen, freundschaftlichen Blick. Sie zieht an ihrer Zigarette, dann legt sich ein Lächeln auf ihre Lippen. "Und du musst mir keine Komplimente machen. Drüben war ich immer die weniger begehrenswerte Freundin von Chelia, und hier von Ira. Ich meine, du bist ein Mann, sei ehrlich: Wenn du zwischen Ira und mir wählen könntest..."

Urplötzlich verschwindet nun das Lächeln, und ein Ausdruck von tiefer Trauer und Nachdenklichkeit legt sich auf Sundaras Gesicht. "Das heißt, wenn ich mich ich überhaupt noch als Iras Freundin bezeichnen darf..."

Sundaras Nähe scheint Yresen nicht zu stören, denn er erwidert ihren Blick, bevor er sich wieder hinsetzt. Wie schon zuvor hört er ihr aufmerksam zu ohne sie zu unterbrechen. Ihre letzte Frage allerdings läßt ihn überrascht drein schauen. Er schweigt, aber nicht weil er verlegen ist, sondern weil er ernsthaft darüber nachzudenken scheint. „Weißt du, daß ist nicht so einfach.“: sagt er schließlich. „Nicht weil ich dir nicht antworten will, es ist wirklich nicht einfach. Ich kenne euch beide nicht. Naja dich ein wenig besser. Ich will dich auch nicht anlügen, aber ich will auch nicht das du böse auf mich wirst, weil ich etwas Schlechtes über deine Freundin sage. Es kann gut sein das ich mich irre, wirklich..“ Er stockt einen Moment, sucht nach Worten. „Es käme ganz drauf an. In einem Freudenhaus würde ich mir deine Freundin aussuchen.“ Sogleich wedelt er wieder mit der Hand. „Nein, ich will damit nicht sagen das sie eine Dirne ist, ganz und gar nicht. Aber wenn es nur für ein, zwei Stunden Spaß wäre, dann würde ich sie aussuchen. Sie ist wirklich schön. Ihre Figur erinnert mich an eine der Statuen am Platz der Gesichtslosen. Aber nicht für mehr. Ich habe dir ja schon gesagt, vielleicht irre ich mich, aber sie hat was von einem Raubtier….nein, das stimmt nicht ganz. Raubtiere tun nichts Böses und haben Spaß daran. Aber bei ihr habe ich das Gefühl, verstehst du? Ich glaube sie ist im Stand und löscht dich aus wie ich eine Laus zerdrücke und lacht dabei. Wenn ich mit jemandem meine Tage und Nächte teilen wollte, dann würde ich dich aussuchen. Ich meine….“ Jetzt fängt Yresen zu stottern an. „Ich meine...theoretisch...verstehst du?“ Dann wechselt er schnell das Thema. „Ich kann dir nur sagen, wie ich es mache. Ob das richtig ist oder nicht...“ Yresen zuckt mit den Achseln. „Ich meine auch gar nicht, daß du mit den Fragen aufhören sollst. Mach es in kleinen Schritten. Niemand kann ein ganzes Roputam auf einen Schlag aufessen. Das mit der Unterkunft ist schon ein Anfang. Aber ich verstehe was du meinst. Dir hat man Tag für Tag gesagt, was du tun sollst und jetzt ist keiner mehr da, der dir was sagt.“ Er denkt wieder einen Augenblick nach. „Für mich ist das kein großes Problem. Vielleichthat mich niemand herum kommandiert. Aber sei froh, jetzt bist du dein eigener Herr und niemand hetzt dich herum.“ Dann sieht er Sundara wieder direkt an. „Wenn ich dir helfen kann, dann mach ich es gern. Mußt es nur sagen.“

Es ist wohl nun wieder an Sundara, still dazusitzen und Yresen zuzuhören, ihre blau-grünen Augen tief in seinem Blick vergraben. Lange ist so gut wie keine Gefühlsregung zu erkennen, einzig Aufmerksamkeit zu verspüren. Doch irgendwann zaubert sich ein verklärtes, fast verlegenes Lächeln auf ihr Gesicht.

„Es klingt eigenartig, was du da sagst,“ antwortet sie dann. „Ich meine, dass sie töten könnte, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich meine, ich weiß nicht, ob du recht hast dabei. Trotzdem habe ich wohl weit mehr getötet als sie. Zehn mal so viel, oder eher hundert mal so viel, ich weiß es nicht. Und nein, ich habe nicht mit der Wimper gezuckt. Der Krieg macht eigenartige Sachen mit einem, weißt du. Ich finde aber, wenn du von Ira redest, und von einem Raubtier sprichst, dann liegst du gar nicht mal so falsch. Auch ein Raubtier droht, auch ein Raubtier scheint dich in jedem Moment einfach so töten zu wollen. Und manchmal sieht es auch bei einem Raubtier aus, als wäre das aus Spaß. Aber niemand tut etwas einfach nur so. Und Gewalt wenden Leute meistens an, wenn sie sich bedroht fühlen. Gerade vorhin, auf dem Platz, als du dazugekommen bist, das war so ein Augenblick. Ira fühlte sich bedroht. Leider habe ich noch nie ganz verstanden, wovor, warum. Ich vermute, sie hat einfach Angst davor, einzusehen, dass das Reich Vorovis, das sie erlebt hat, einfach nicht mehr existiert. Dass das Vorovis, in das sie zurückkommen würde, nicht mehr das ihre sei. Aber... sie hätte ja die Asnivale nehmen können und mir den Kopf abzuschlagen versuchen. Sie hätte, statt mir mit der flachen Hand an die Stirn zu schlagen, eine Faust auf die Nase geben können. Ich glaube auch gar nicht, dass ich das nicht zugelassen hätte, also die Faust. Stattdessen hat sie mit der flachen Hand geschlagen. Drohen, ohne zu verletzen. Hart erscheinen, ohne es richtig zu sein. Verstehst du, was ich meine? Ich meine, vielleicht liege ich ja ganz falsch und sie zieht mir morgen wirklich das Fell über die Ohren, aber ich glaube es einfach nicht.“

Kurz sieht sie ihn an, dann wird das Lächeln breiter, freundlicher, lustiger. „Und pass bloß auf, irgendwann muss ich mich hier verstecken, dann wirst du mich nicht mehr los und musst mehr Tage und Nächte mit mir teilen, als dir lieb ist!“

Dann wird sie wieder ernst, und nach einer weiteren kleinen Pause fährt sie fort: „Weißt du, es hat viele Tage gegeben, an denen ich nicht mein eigener Herr war. Also, bevor ich nach Estichà gekommen bin. Wo ich Sachen tat, weil ich sie tun musste, weil ich nicht wusste, wie ich sonst überleben würde. Aber dann, bei der Armee, ja, es gibt immer einen Kommandeur, und dieser hat auch wieder einen und so weiter. Aber du kannst ja immer sagen, halt, ich mag nicht mehr. Ich steige aus und suche mir eine andere Arbeit. Also, du bist bei der Armee, und du führst Befehle aus, weil du bereit dazu bist. Du bist also nicht der Befehlende, aber doch dein eigener Herr. Du bist irgendwie Teil einer Familie, in denen alle irgendwie gleich denken, wo du dich auf jeden anderen verlassen können musst. Und das alles, das gibt es hier nicht. Ich meine, wir sind ja nicht so viele. Da haben wir Lenari, bei der ich mir eigentlich nie ganz sicher bin, ob sie überhaupt verstanden hat, was da gerade passiert ist, so fröhlich, wie sie das Ganze hinnimmt. Da habe ich wirklich den Eindruck, als wäre ihr Glück widerfahren, hier her gebracht zu werden. Dann ist Keresin da, wohl der Klügste von uns allen. Aber irgendwie auch wie ein wildgewordener Roputan, immer geradeaus, niedermähen was nicht passt, ohne irgendwie den geringsten Zweifel zu haben, ob das, was er denkt, denn auch das Richtige ist. Und dann ist Ira da, irgendwie im ständigen Streit mit sich selbst, wo man nie genau weiß, welche Ira gerade das Sagen hat, aber im Endeffekt wohl mehr sich selbst gegenüber gefährlich als jemand anderem. Einige eigenartige Bewohner, von denen niemand wissen kann, was man von denen halten kann. Naja, verstehst du, es ist so halt äußerst schwierig, sich in einer Familie zu fühlen, jemandem richtig zu vertrauen. Von uns Neuen, ja, da tu ich mir mit Ira am leichtesten, weil sie eben so ist, wie sie ist, weil ich jemanden kannte, der ihr wohl sehr ähnlich war. Und von den Bewohnern, da bist halt du.“

Sie sieht ihn kurz an, mit warmem Blick, mit freundlichem Lächeln.

„Ich kann nicht wissen, ob Ira mir irgendwie vertraut, oder ob sie mir irgendwann vertrauen kann. Ich weiß nicht, ob du mir vertraust. Oder was Keresin über mich denkt. Ich weiß nur, dass es alleine nicht geht. Dass alleine gar nichts geht. Aber was nerve ich dich da mit meinem Gefasel...“

Abrupt hält sie inne, richtet sich auf und krallt sich den Bogen neben sich, nimmt den Pfeil und schiebt ihn in den Köcher. „Es ist aber sehr sehr schön zu wissen, dass du mir helfen würdest.“

"So habe ich das auch nicht gemeint.": sagt er als Sundara über Ira spricht. "Aber gut, es ist nicht so wichtig. Wirklich nicht." Mehr sagt er nicht und es sieht ganz so aus als ob er darüber im Moment auch nicht mehr reden will. Dann lacht er leise auf. "Woher willst du den wissen was mir wieviele Tage und Nächte lieb ist?": erkundigt er sich mit einem Lächeln, doch dann hört er ihr weiter zu ohne sie nochmals zu unterbrechen. "Ich denke, ich war nie Soldat. Ich spüre nichts, nicht die kleinste Regung. Nicht wie bei anderen Dingen, die mir einfach irgendwie nahe sind ohne das ich mich erinnern kann. Aber mit Waffen, zumindst mit dem Dolch, kann ich umgehen. Mein Körper erinnert sich daran, nicht mein Kopf. Verstehst du? Ich weiß das es blöde klingt, aber es ist genau so." Über Lenari spricht er nicht, aber sein Gesicht wird abweisend als er über Keresin spricht. "Dieser Keresin, das ist der Mann mit dem kurzen Haar der mit euch gekommen ist? Ich traue ihm nicht, nicht soweit." Er hebt die Linke und zeigt Sundara den Abstand zwischen seinem Daumen und Zeigefinger, der nur einen Bruchteil eines Clats mißt. "Er hat die Augen eines Angma, kalt und seelenlos. Er könnte einer sein, oder ist es vielleicht." Mehr sagt er nicht aber seine Abneigung ist deutlich zu spüren. Dann schüttelt er den Kopf. "Nein, du nervst mich nicht. Im Gegenteil, ich bin sehr froh, daß ich mit dir reden kann. Aber jetzt sollten wir gehen. Wir sind schon lange hier. Am Besten du nimmst den Weg durch das Loch in der Mauer hinaus auf die Straße, ich nehme einen anderen Gang. Sicher ist sicher!" Bevor er aufsteht, beugt er sich vor und für einen Augenblick sieht es aus, als wollte er sie mit seiner Linken im Gesicht berühren, doch er streift nur mit den Fingerspitzen über eine Haarsträhne. "Mache ich gern. Aber suche nicht nach mir, ich finde dich schon. Paß auf dich auf.": sagt er sanft und kommt dann geschmeidig auf die Beine. Flink und nahezu lautlos verschwindet Yresen im Dunkeln.

„Sinuva, bis bald!“ ruft Sundara Yresen noch hinterher. Zu mehr reicht einfach die Zeit nicht, denn schon ist der letztendes doch seltsame Mann durch den Spalt in der Wand verschwunden. Einen Augenblick sitzt nun Sundara noch da, auf dem Boden. Noch einmal lässt sie ihren Blick über den Raum schweifen. Schließlich geht er nach oben, zu dem Loch in der Decke. Sie beobachtet den Schutt, der sich darunter angesammelt hat. Freilich, das einfachste, den Raum zu verlassen, wäre dieses Loch... Sie schnallt sich ihre Waffen um, schlüpft in den Bogenköcher und erklimmt behände einen sich gerade unter dem Loch befindlichen Schuttberg. Dann sieht sie sich um. Sundara schüttelt den Kopf. Mit einem guten Sprung könnte sie vielleicht einen der Steine erreichen. Aber es ist selten eine gute Idee, einen der Steine eines teilweise eingestürzten Gewölbes plötzlich und ruckartig zu belasten. Zu groß ist die Gefahr, mitsamt dem Stein wieder in die Tiefe zu stürzen, und da der Raum alles andere als frei von harten Gegenständen ist, die sie doch arg verletzen könnten, lässt sie es bleiben. Es bleibt ihr also nichts anderes übrig, als den Weg zurückzugehen, den sie gekommen sind. Der schmale Spalt lässt den Stoff ihres Hemdes rückseitig nun vollends zerreißen. Sie nimmt die zwei Enden und bindet sie am Rücken zusammen - so gut es eben geht. Dann irrt sie schließlich eine ganze Weile durch das Halbdunkel, kommt aber sicher wieder auf die Straße. Wieder bleibt Sundara stehen. Sie sieht sich um. Was soll sie nun denn tun? Schließlich macht sie sich auf den Weg zu ihrem Haus, das sie nun doch so schnell als möglich verlassen will.