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Ataeric hat den gestrigen Ratschlag beherzigt und sich ein luftiges, ärmelfreies Hemd und eine knöchellange Hose aus ganz ähnlichem Material besorgt. Seine eigene Kleidung- samt Asnichara liegt nun gut verstaut ein Haus weiter von Hel´s Übernachtungsort Richtung Hafen. Lediglich den Waffengurt mit dem Pijura trägt er um die Hüfte, was ihn beim Laufen nicht behindert.
Mit dem Handrücken fährt er sich über die schweißnasse Stirn. Es ist noch Vormittag, doch der kräftige Mann muß sich eingestehen, dass es für derartige körperliche Betätigung bereits viel zu heiß ist. Zumindest in der Stadt, die geschützt von vielen Häuserfronten und gut bewachsenen Gärten deutlich windärmer als der Strand ist.
In vielleicht gut ein dutzend Häuser hat er bisher gesehen, meistens durch Fenster und etwa die Hälfte davon betreten. Aber bis auf einen Wasserschlauch hat er nichts weiter mitgenommen und das Leder hängt schlapp an seiner Seite, er hat bereits viel getrunken.
Gehört oder gar gesehen hat er bisher keinen der anderen Gestrandeten und obwohl sich die Erbauer der Stadt viel Mühe gegeben haben, kein Haus gänzlich wie das andere aussehen zu lassen wird er seiner Besichtgungstour überdrüssig.
Nun gut- was einmal funktioniert hat hilft vielleicht auch ein zweites Mal, weshalb Ataeric seine flachen Hände rechts und links neben seinen Mund platziert und geradewohl von seinem Platz aus anfängt zu brüllen:“ Ist irgendjemand hier?!“

Immer wieder gibt es Tätigkeiten, die dermaßen in Mode kommen, dass man sich von der Gruppe ausgeschlossen fühlt, sollte man diesselbe nicht ebenfalls ausführen. Am Vortag war diese Tätigkeit wohl mit den anderen Neuankömmlingen verschiedentliche Animositäten auszutauschen, und an diesem Folgetag die Besichtigung aller möglichen Häuser. Ob Chelia nun Frau von Welt ist oder nicht, mit Ersterem hat sie ja an Hel Nergal einen Trend gesetzt, bei Letzterem ist sie jedoch eher Nachahmerin. Und so ist sie schon in zahlreichen der schmucken Häuschen gewesen, doch nirgends hat sie gefunden, was sie am dringendsten gesucht hat: Neue Kleidung. Denn ihr Gewand, mit dem sie auf die Insel gekommen ist, ist doch recht konsumiert. Doch dann erlebt sie eine Überraschung.

Vom Hauptplatz geht sie in Richtung Norden, dann biegt sie rechts ab, in die erste Straße. In einem Garten stehen verschiedene hohe Bäume, dahinter liegt ein stattliches Häuschen mit sehr großer Veranda. Geht durch den Garten. Auf der Veranda steht ein Tisch mit einigen Stühlen herum. Sie öffnet die Haustür und geht in das Haus. Chelia stockt der Atem. Sie schließt die Tür, atmet einige Male tief ein. Das kann doch nicht sein! Ist sie jetzt komplett verrückt geworden? Zögernd öffnet sie die Tür erneut, doch auch beim zweiten Versuch ist es da.

Die Tür führt in einen großen Vorraum, fast unmöbliert, wenn man von einigen Kleiderhaken und einer Kommode absieht. Doch ist Chelia nicht der Typ Frau, die sich von Kleiderhaken und Kommoden aus dem Konzept bringen lässt. Vielmehr ist es ein Bild, das ihre Aufmerksamkeit auf sich zieht. Denn das Bild zeigt - sie selbst! Es ist ein Bild, das eine stumme Freundin Chelias in Estichà gemalt hat, und genau dieses findet sie in diesem Haus. Chelia schluckt, schließt die Tür - dieses Mal von Innen. Von dem Vorraum gehen drei Türen ab. Eines geht in ein geräumiges Schlafzimmer. Als Chelia den Kleiderschrank öffnet, kribbelt ihr der Bauch vor Aufregung. Sollte sie hier wieder eine Überraschung erleben? Der Kleiderschrank ist gut gefüllt - mit Kleidern, die Chelia perfekt passen. Chelia zieht den Kittel aus, den sie seit gestern Abend trägt. Sie wählt eine enge Hose aus dunklem, weichen Wildleder, dazu eine weiße Bluse. Auch neue Stiefel sind vorhanden. Chelia schnallt sich noch ihre Asnivala um, dann geht sie zurück in den Vorraum.

Wieder bleibt sie vor dem Bild stehen, das eine Asnivala-schwingende Chelia zeigt. Sie schüttelt den Kopf. Wie kann das sein? Dann öffnet sie die zweite Tür. Es ist ein Badezimmer mit großer Wanne, Waschtisch, ein Regal mit Handtüchern - ein Badezimmer eben. Hinter der dritten Tür befindet sich eine Küche mit großem Esstisch, und von hier gelangt man wieder auf die Veranda.

Das Haus gefällt Chelia ungemein. Sie setzt sich rittlings auf einen der Stühle auf der Veranda, kramt etwas Rauchzeug hervor und entzündet eine Zigarette. Gerade will sie das erste Mal daran ziehen, so hört sie eine Stimme.

“Ist da jemand?”

Braucht da jemand Hilfe? Nein, verzweifelt, verängstigt klingt die Stimme echt nicht. Doch wer mochte es sein? Es war nicht Hels Stimme, nicht Javeros Stimme, und eine Frauenstimme schon gar nicht.

“Nein, hier ist niemand!” ruft sie zurück, abwartend, was nun passieren würde und angestrengt Ausschau haltend, ob denn jemand erscheinen würde.

Ataeric steht nicht weit von Chelias gerade entdecktem neuen Zuhause, so fällt es ihm leicht den Standort der jungen Frau zu finden. Das Rascheln eines Astes mitsamt seiner kleinen Blättern wird in ihrem Garten hörbar als er diesen beiseite schiebt und hinter sich in die ursprüngliche Position zurück schnellen lässt. Die weichen Sohlen seiner neu auserkorenenen Laufschuhe verursachen dagegen auf dem weichen Gras keine Geräusche, so dass die nähernden Schritte lautlos vonstatten gehen. Dem hochgewachsenen Mann ist die Anstrengung seines morgendlichen Dauerlaufs noch immer anzusehen obwohl er sich in gemütlichem Tempo bereits einige Häuser angesehen hat und sich Puls und Atmung normalisiert haben. Neben den immer noch schweißnassen, nun honigfarben wirkenden Haaren weist das Hemd feuchte Spuren auf. Zumindest gibt er den dazu passenden und unangenehmen Körpergeruch noch nicht von sich, was sich in spätestens einer Stunde, wenn der nasse Film kalt und trocken geworden ist garantiert ändern wird.
„ Wenn niemand da ist... kann ich niemanden stören..“, erhält Chiara verspätet eine Antwort auf ihren eigenen Ruf. Seine Stimme ist- entsprechend der Körperstatur volltönig und tief. Er wartet nicht auf eine Einladung von ihr sondern kommt direkt die paar Stufen ihrer Veranda hoch und rückt sich, zwei Vat von ihr entfernt, ebenfalls einen Stuhl zurecht. „ Ich bin Ataeric“, stellt er sich knapp vor und mustert die fremde Frau eine ganze Weile, bis er ein Seufzen von sich gibt und ergänzt:“ Jetzt weiß ich was mir gefehlt hat.... habt ihr noch eine für mich übrig? Bitte sagt mir, dass ihr die hier irgendwo gefunden habt und es sich nicht um den letzten Tabak in dieser Stadt handelt..“

Es hat nicht den Anschein, dass sich Chelia ob Ataerics Erscheinen übermäßig freut. Vielmehr beäugt sie ihn mehr als misstrauisch, als er so mir Nichts dir Nichts die Stufen zu ihrer Veranda erklimmt und sich dann an ihrem Tisch niedersetzt. Und so ist es nicht sehr verwunderlich, dass ein Gruß ihrerseits ausbleibt. Doch weder ergreift sie feindselige Aktionen, noch verrückt sie ihren Stuhl oder verändert auch nur ihre Position darauf. Anscheinend sind ihr die zwei Vat Distanz genug.

Die Beschreibung, die Ataeric von Hel Nergal erhalten hat, ist jedenfalls wenig geeignet, die junge Frau zu identifizieren. Wohl sind die Haare noch leicht verfilzt, doch sind verfilzte Haare in der Röhre wohl eher die Regel als die Ausnahme, und so mancher satter Glanz auf den Köpfen derer Bewohner mehr der dichterischen Freiheit des Erzählers als denn der kruden Realität geschuldet. Von "stinkt wie ein Misthaufen" ist jedenfalls keine Rede mehr - im Gegenteil: die Kleider, die sie gefunden hat, riechen wie frisch gewaschen. Und so sieht Ataeric eine hübsche junge Frau, deren dunkle Haare über die Schultern fallen, während die großen Augen, die ihn so misstrauisch betrachten, eine nicht von der Hand zu weisende Energie in sich binden. Das Gesicht ist ebenmäßig, frei von jeglichen Narben, die Lippen voll und geschwungen. Das blusenartige, weiße Hemd, locker leger weit offen getragen, ohne jedoch frivol zu wirken, offenbart einen schlanken Nacken, der in athletische Schultern übergeht. Der Waffengurt ist wenig auffällig, abgetragen. Von der Asnivala fällt höchstens der Edelstein am Knauf auf - schließlich wird es dem größten Experten nicht gelingen, den Wert einer Waffe abzuschätzen, während sie in der Scheide steckt. Die langen und schlanken Beine werden von den Hosen betont und stecken in hochwertigen, neuen Stiefeln. Durch die dunklen Haare, die dunklen Auge, den gebräunten Teint und besonders durch die Kleidung sieht sie fast aus wie der Prototyp einer Kapitana.

Chelia wirft das Häufchen Rauchzeug vor sich vor Ataeric, ohne dabei Miene zu verziehen. Und auch die Antwort ist zwar klar, aber doch ziemlich kurz: "Hatte ich bei mir, als ich auf die Insel kam."

Sie zieht an ihrer Zigarette und bläst den Rauch in Ataerics Richtung, während sie mit der anderen Hand die Lehne ihres Stuhls in die Richtung ihres Oberkörpers zieht, so dass sie auf zwei Beinen des Stuhls balanciert und diesen leicht nach vorne und hinten schaukeln lässt.

„ Ein Jammer, ich hatte fast nur nutzlose Dinge dabei..“, verzieht er einen Mundwinkel als hätte er leichte Zahnschmerzen, hat aber kein Problem damit nach dem vielleicht hochkostbaren, raren Zeug zu greifen und sich eine von den Zigaretten anzuzünden, bevor er es an den Platz zurückwirft. Mit einem kräftigen Atemzug lässt er die Spitze rot erglühen und damit nicht mit Hustenanfall belohnt zu werden bestätigt ihm, dass er seinem Gefühl zu Recht trauen konnte. Er lehnt sich zurück und bietet Chelia sein Profil während sein Blick auf den Garten vor ihnen liegt. Es ist ein hübscher Ort an dem es sich dank der Bäume und den dadurch gespendeten Schatten gut aushalten lässt. Auf alle Fälle besser als auf der offenen Straße. Ihr unwillkommener Gast scheint sich an ihrer mangelnden Begeisterung für seinen Besuch überhaupt nicht zu stören, wirkt er mit ihrer Zigarette in seiner Hand, in ihrem Stuhl und auf ihrer Veranda sogar recht zufrieden. Vielleicht liegt es aber auch einfach nur an der Tatsache, dass er sie ohne ihren Ruf wahrscheinlich erst gar nicht gefunden hätte.
Eilig hat er es nicht und sofern Chelia das Schweigen vorher nicht bricht, vergehen einige Herzschläge in denen er nichts weiter tut als ein paar Mal mit dem Mund an der Zigarette zu ziehen und den Qualm wieder aus der Nase heraus zu lassen.
„ Könnt ihr damit umgehen?“ weist er ohne hinzuschauen mit der Hand vage in die Richtung ihrer Waffe. Und um sie erst gar nicht in Verlegenheit zu bringen, nach einer vielleicht aus einem Sicherheitsgefühl geborenen Lüge wieder zurück rudern zu müssen, wartet er eine solche erst gar nicht ab sondern fährt gleich fort:“ In dem Fall würde ich euch bitten, mit mir vielleicht bei Gelegenheit ein paar Grundbegriffe durchzugehen. Trockenübungen sozusagen.. etwas ganz einfaches. Ich hatte gestern bei meiner... Ankunft.. eine ähnliche Waffe dabei und würde gerne wissen, ob es sich dabei nur um Zierrat handelt.. oder ich damit wirklich umgehen kann.“ Er dreht den Kopf in ihre Richtung und sucht den Blick ihrer Augen:“ Das würde mir sehr helfen..“

Chelia lässt die Stuhllehne los. Mit einem lauten Klopfen fällt der Stuhl in seine Ausgangsposition zurück. Chelia ist sichtlich bemüht, cool zu wirken, doch ein leiches Zucken ihrer Augenbrauen verraten, dass die Frage sie irritiert. Und so zieht sie scheinbar lässig noch einmal an ihrer Zigarette, bevor sie den Rauch wieder provokativ zu Ataeric bläst.
"Ich durfte aussuchen zwischen einer Kette und einer Asnivala," antwortet sie. "Ich nahm die Asnivala. Mit einer Kette kann man sich nicht die Fingernägel machen."
Sie sieht Ataeric gerade in die Augen. Es ist ein intensiver Blick. Die Augen sind leicht verengt, sie kaut auf ihrer Unterlippe. So vergeht Sekunde um Sekunde, dann bricht sie selbst ihr geradezu zelebriertes Schweigen.
"Was soll das heißen, Ihr habt so ein Teil und wisst nicht, ob Ihr mit ihr umgehen könnt? Nun, wenn Ihr mit jemandem die Grundbegriffe durchgehen könnt, so müsst Ihr wissen, was die Grundbegriffe sind. Und wenn Ihr die Grundbegriffe kennt, wird jemand sie Euch wohl beigebracht haben..."
Sie steht auf und geht an Ataeric vorbei, nicht weit entfernt. Ihr Körper liegt jedoch zwischen Ataeric und ihrer Asnivala. Ohne Gewaltanwendung kommt er also nicht an diese Waffe. Chelia verschwindet im Haus und kommt wenig später zurück. In einer Hand trägt sie eine Flasche, in der anderen zwei Gläser. Sie stellt die Gläser auf den Tisch und schenkt ein - ein bräunliches Getränk, das bei genauem Schnuppern ziemlich an Rum erinnert. Dann lässt sie sich wieder auf ihren Stuhl fallen.
"Also, Schluss mit diesem Theater," meint sie. "Was wollt Ihr?"

Gut möglich, dass seine Gelassenheit mit der er ihren Blick stoisch beantwortet ebenfalls nur gespielt ist. Dafür wirkt sie aber weitaus überzeugender als ihre Coolness. Er verkneift sich sichtbar eine Bemerkung zu ihrer bezüglich der Wahl zwischen einer Kette und Asnivala und Chelia muss sich bei ihrem Gang ins Haus auch nicht beobachtet fühlen, wendet er bei der Gelegenheit seine Augen von ihr wieder ab. Stattdessen sieht er zu zwei lauthals zankenden, kleinen Vögeln die sich auf einen nun wild schaukelnden, dürrenen Ast niedergelassen haben und sich um irgendetwas Kleines streiten, das der linke von den beiden im Schnabel trägt, bis sie plötzlich wieder weiterfliegen und ihren Disput noch immer hörbar im Nachbargarten weiter austragen.
Er hebt überrascht eine Augenbraue als sie sich bei seiner Bitte ausgerechnet für den Vergleich mit einem Theater entscheidet und greift nach einem der gefüllten Gläser, das er sich direkt unter die Nase hält. „Na das nenn ich doch mal schon einen Anfang!“ entlockt ihm der Geruch ein überraschend vergnügtes Lachen, das verstummt als er das Glas mit einer anerkennenden Gestik in ihre Richtung erhebt und einen kräftigen Schluck nimmt.„Mir scheint ihr seid mit einer Vollausstattung hier angekommen,“ fügt er nicht völlig frei von Neid hinzu.
„Um auf mein Anliegen zurück zukommen. Wenn ich mein Teil in die Hand nehme, fühlt es sich durchaus vertraut an.“ Er hält inne, lauscht seinen eigenen Worten nach und wendet sich ab, um das aufkommende Grinsen zu verbergen und ergänzt deutlich leiser:“So...äh...anzüglich... sollte das jetzt gar nicht klingen. Entschuldigt.“
Nach einem tiefen Atemzug fährt er wieder ernster fort:“Wie es aussieht scheint diese Stadt mich eingeschlossen sechs...mmh.. vorläufige und nicht ganz freiwillige Gäste.. zu beherbergen. Mit euch eingerechnet bin ich nun Zweien davon begegnet. Leider kann ich mich nur ab den Zeitpunkt erinnern, an dem ich in dem Keller eines der Häuser hier … zu mir kam, mit Kleidung am Leib die für einen Ort wie diesen doch recht .. nunja..unpassend erscheint. Ich bin mir allerdings sicher dass sie zu mir gehören. Genauso wie die Waffen die ich bei mir hatte. Allerdings kann es natürlich sein dass ich viele Stürme mit dieser Asnivala an meiner Seite herumspaziert bin.. weil es schrecklich männlich aussieht oder..damit es zur Abschreckung dient, und mir die Bewegungen die ich damit ausführe so vertraut vorkommen, weil ich jeden Abend vor dem Schlafen gehen mich vor dem Spiegel wie ein Arenasieger fühlen möchte. Als ich euch also mit so einem Teil,“ unterdrückt er mit Mühe ein weiteres Grinsen:“ gesehen habe, dachte ich es sei vielleicht eine gute Gelegenheit das herauszufinden. Sofern ihr in der Lage seid, das abschätzen zu können. Vielleicht hilft mir das mich an etwas zu erinnern. Bei der Zigarette hat es auch gewirkt. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob ich euch dafür dankbar sein soll.“

Chelia sieht Ataeric nach wie vor schweigend, ernst und bemüht ausdruckslos an. Die Sekunden verstreichen. Nun, eine gemütliche Unterhaltung sieht sicher anders aus, allerdings ist es für Ataeric kaum abzuschätzen, ob die junge Frau einfach extrem schweigsam ist, Fremden gegenüber äußerst verschlossen oder aber ob sie ihn vielleicht sogar kennt und ihm deshalb keinen Deut abkauft. Dabei wird Ataeric nicht entgehen, dass er dabei noch einmal eingehend gemustert wird. Sie beäugt sein Gesicht, die Schultern, den Oberkörper, die nackten Arme, die Hände. Dann geht ihr Blick wieder zurück zu seinen Augen.

"Ihr seid ein Krieger," sagt sie dann ziemlich bestimmt. "Glaubt mir, Ihr könnt damit umgehen. Und, um es genau zu wissen, Ihr führt die Asnivala mit einer Hand."

Dann greift sie zu dem Glas mit dem rumähnlichen Destillat und hebt es empor.

"Sintawa!"

Sie trinkt das Glas dann, ohne recht lange zu warten, in einem Zug aus. Dann stellt sie das Glas mit Schwung zurück auf den Tisch, greift zur Flasche und füllt das Glas wieder auf. Sollte Ataeric es ihr gleich getan haben, macht sie dasselbe auch mit dem seinen. Ob sie die Vögel bemerkt, die nach ausgestandener Fehde sich wieder in alter Harmonie auf dem Zweig niedergelassen haben, mögen die Götter wissen.

Das nur als durchschnittlich zu bezeichnende Gesicht des Mannes ist frei von Narben und weist weder Besonderheiten noch das gewisse Etwas auf, als das es einen weiteren Blick wert wäre oder sich leicht einprägt. Sein Oberkörper ist wie der ganze Körper kräftig statt sehnig zu nennen, wirkt dabei aber nicht derart muskelbeladen, dass seine Beweglichkeit darunter leiden müsse. Die Schwielen seiner Hände weisen ihn eindeutig als Rechtshänder aus und wirken unnatürlich sauber. Weder unter den kurzgehaltenen Fingernägeln, noch zwischen der Hornhaut findet sich eine Verfärbung, so fehlt auch die typische Gelbfärbung der Finger die man bei Rauchkraut-Konsumenten häufig beobachten kann. Die Arme und Schultern weisen vereinzelte Narben auf von denen keine besonders ins Auge springt, die aber in ihrer Vielzahl auch bei einer weniger eindringlichen Musterung auffallen würden. Die Ausdruckslosgkeit die Chelia trägt findet sich in seiner Miene nicht wieder. Seine Augen ruhen in ihren als sie bei diesen ankommt und darin liegt eine konzentierte Aufmerksamkeit, die leicht das Gefühl gibt dass es sich bei ihrer Musterung nicht um eine einseitige handelt.
„ Wie denn sonst..“, brummt er auf ihre Worte hin und hält ihr das Glas näher zum Einschenken hin. „ Kennen wir..“, unterbricht er jdoch mit einem unwilligen Stirnrunzeln den angefangen Satz, hebt stattdessen das frisch gefüllte Glas und kippt den Inhalt ein weiteres Mal stumm hinunter.
Er knallt das Glas auf den Tisch und schaut wieder in den Garten, wodurch sie das Zusammenpressen seiner Zähne gut anhand der deutlich sichtbar hervortretenden Kiefermuskeln beobachten kann, das sich erst löst als er einen Zug von dem mittlerweile bedrohlich kurz gewordenen Glimmstängel nimmt. „ Niemand sollte solche Fragen stellen müssen... nicht einmal in so einer Stadt, einer verdammten Brutstätte für Geister und Dämonen. Wenn ihr mich schon einmal gesehen habt, Frau, dann sagt das!“

Chelias Augen verengen sich noch etwas mehr, ihr Körper spannt sich an. Man hat den Eindruck, als würde sie nun jeden Moment von ihrem Stuhl nach vorne oder nach hinten schnellen. Anscheinend lässt der veränderte Gemütszustand Ataerics bei ihr sämtliche Alarmglocken läuten.

"Verfrellte Roputankacke," sagt sie schließlich - weit weniger ruhig als vorhin, wobei nun ein eindeutiger vorovischer Akzent zu hören ist. "Ich sehe Euch jetzt, und Ihr habt nicht den Körperbau eines Bürohengstes. Ihr habt jedoch auch nicht die Hände eines Bauern oder Handwerkers. Ihr habt zahlreiche Narben an den Oberarmen. Und Eure rechte Hand weist mehr Schwielen auf als die linke, auch sind die Muskeln des Unterarmes besser ausgebildet. Zählt zwei und zwei zusammen..."

Sie steht auf und lehnt sich an das Geländer der Veranda. Das Misstrauen in ihrem Blick ist nun etwas beinahe Feindseligem gewichen. Der rechte Stiefel ruht mit dem Absatz auf dem untersten Brett des Geländers, die Finger spielen miteiander.

"Und Ihr raucht nicht. Entweder hat Euch Eure Erinnerung getrügt, oder aber, und ich tendiere eher zu diesem, Ihr erzählt mir eine riesige Mene an gequirlter Scheiße. Also, was wollt Ihr? Ihr verfolgt doch ein Ziel mit Euren verkackten Fragen. Welches? Ich kenne Euch nicht, Ihr kennt mich nicht. Was soll das ganze Theater also?"

„ Weil es mir nicht reicht zu zählen, wenn ich mich nicht erinnere“, wartet er mit seiner Antwort ab, bis sie geendet hat. „ Mein Ziel? Ich kenne es nicht. Ich werde aber ganz sicher nicht abwarten was mir der Aufenthalt hier noch bescheren soll sondern nach Antworten suchen. Warum ich hier bin. Warum _wir_ hier sind. Ob es Gemeinsamkeiten gibt, die auf.. eine Absicht schließen lassen. Ihr glaubt ich spiele Theater? Ihr seid doch diejenige die sich windet wie ein Metchà-Aal der glaubt ein ganzes Fischerdorf wäre hinter ihm her. Was stimmt mit euch nicht, wenn ihr in einfachen Bitten und Fragen gleichen einen ganzen Zwyselschwanz samt Horde seht? Besitzt ihr überhaupt noch einen Funken Menschenfreundlichkeit im Leib?“ Der anfängliche Zorn verschwindet vollständig, als er den Kopf schüttelt. Er nimmt einen letzten Zug von der Zigarette und dreht den übrig gebliebenen Stummel in den Fingern, um die Glut in seiner Flanke auszudrücken. Eine Vorhaben, dessen Fehler er erst bemerkt, als die Hitze auf seiner Haut spürbar wird. Verdutzt starrt er auf das schwarz umrandete kleine Loch in dem dünnen Stoff- der erste Moment seit seinem Besuch hier, in dem er unaufmerksam wirkt obwohl er die Fremde bereits mehrmals aus seinem Blick entlassen hat. „ Ach verdammt“, flucht er leise und zieht den Stoff glatt, um sich stirnrunzelnd die Bescherung anzusehen und- nun wieder völlig ruhig noch zu ergänzen:“ Ihr tragt eine Asnivala. Dann solltet ihr wissen dass es nicht immer nur um die Unversehrtheit der eigenen Haut geht. Geht in euch und sucht nach dem Quentchen Verantwortung das ihr für eure Mitmenschen empfinden solltet, dann müsst ihr nicht mit – niemand- antworten wenn ihr jemanden rufen hört. Falls ihr es noch findet..“, womit er aufsteht und wieder zu ihr sieht:“ Ich übernachte in einem Haus unweit vom Hafen am Strand..“

Ataeric wird wohl nicht so weit kommen, nach seiner teilweisen Selbstverbrennung noch fortzufahren. Er scheint nämlich bei der hübschen Dunkelhaarigen einen wunden Punkt getroffen zu haben. Das Spiel der zelebrierten Coolness ist jedenfalls eindeutig zu Ende. Die Halsschlagader tritt pulsierend hervor, über ihr Gesicht regt sich eine aufgeregte Röte, die dunken Augen blitzen den Mann aggressiv an, obwohl der Sehschlitz nun um einiges weiter ist als gerade noch zuvor. Der Fuß, lässig auf dem untersten Brett des Geländer ruhend, fährt zurück auf den Boden, die gesamte Gestalt richtet sich auf. Die Hände lösen sich voneinander, die rechte geht bis auf Schulterhöhe empor, den ausgestreckten Zeigefinger auf Ataeric gerichtet.

"Erzählt Ihr mir nichts über Menschenfreundlichkeit," fährt sie ihn an, in reinstem vorovisianischem Dialekt und mit ordentlichem Tremor in der Stimme. "Mein Vater wurde von vorovisianischen Schergen ermordet, mein Bruder vom Jamachan, meine Mutter von irgendeinem dahergelaufenen Ganoven. Ich bin in Vorovis durch die Hölle gegangen und mehr tot als lebendig in Estichà angekommen. Mein erster Lebensgefährte wurde vom Hohen Rat verbannt, mein zweiter von einer Priesterin ermordet. Das ist die Menschenfreundlichkeit, die ich erfahren habe! Und kommt Ihr und verlangt von mir, dass ich Euch mir nichts dir nichts mein Asnivala in die Hand drücke! Und warum wir hier sind?! Darf ich Euch etwas verraten? Ich - weiß - es - nicht. Ich bin hier aufgeschlagen wie Ihr. Aber ich habe aufgehört hinter allem einen tieferen Sinn zu suchen, das habe ich lange Zeit gemacht, und es hätte mich fast umgebracht. Meistens gibt es nämlich keinen. Die Dinge passieren, einfach so. Und Gemeinsamkeiten? Naja, nehmt einen Despoten, der so viel Leid über die Röhre gebracht hat wie der Rest der Röhre zusammen, eine kleine Handelsfrau, die vor ihm panische Angst hat und jeden Moment meint, sie würde von ihm ermordet werden, eine Mehdora-Priesterin, die nebenbei Heilerin ist und keinen anderen Kult als den Neuen duldet, einen Barden, der keiner Fliege etwas zu leide tun würde und mich, ehemalige Jahajas der Stadtwache, der zuerst vom Alten Kult alles genommen wurde und anschließend vom Neuen. Sucht die Gemeinsamkeiten, bitte, wenn Ihr sie findet, meldet Euch!"

Sie hat dies alles in einem Atemzug heruntergerattert, herausgepresst, ja halb geschrien. Nun geht ihr Atem tief, sie macht einen Schritt vor zum Tisch, gießt sich ein Glas mit dem Rum ein und trinkt es in einem Zug aus. Ein zweites fließt gleich hinterher. Dann sieht sie Ataeric verbittert an.

Den Versuch aufzustehen unternimmt er noch, verharrt dann während ihres Anfuhrs in der Bewegung und lässt sich nach diesem mit einem geistreichen :“ Oh,“ wieder zurück in den Stuhl sinken. Er holt tief Atem, öffnet den Mund nur um ihn prompt wieder zu schließen. Natürlich hat er Fragen zu dem gerade Gehörten, das ist ihm anzusehen- genauso wie das Wissen darum, dass jegliche Bemerkung von ihm dazu eine zuviel sein wird. Dennoch ist es ihm wichtig zumindest eines klar zu stellen:“ Ich will eure Waffe nicht. Wollte sie nicht“, versucht er ihr erst gar keinen Raum für Ermessungsspiele mehr zu geben. „ Ich hatte eine Asnivala bei mir...bei meiner Ankunft. Ihr könntet sie euch bei der Gelegenheit dann auch ansehen, vielleicht verrät sie euch wo ihre Heimat liegt oder.. die anderen Sachen. Ich hab sie.. gelassen wo ich die Nacht verbracht habe um zu Laufen... zumindest bis es zu warm dafür geworden ist, danach habe ich mich hier ein wenig umgesehen und.. nunja, ihr habt mich rufen gehört“, der Rest ist Geschichte die sie selbst kennt. „ Ich.. will nur eure persönliche Einschätzung, mehr nicht“, was diese nicht herabsetzen soll. Wird sie sich spätestens mit der Nennung ihres Rangs einer Jahajas hervorragend für diese Bitte bei ihm qualifiziert haben.
Er streckt sich um mit der Hand an die Buddel zu kommen und schenkt sein Glas voll, fragend wird sie angesehen und sofern sie ihm ihres hinhält schüttet er auch ihres voll, bevor er das süße Gesöff wieder abstellt und sein Glas in die Hand nimmt. „ Was ist das Letzte, an das ihr euch erinnert bevor ihr.. hier zu euch gekommen seid. Wo seid ihr gewesen? Was habt ihr gemacht?“ verlangt er von ihr zu wissen und obwohl sowohl Bluse wie Lederhose ihr nicht nur nicht hervorragend passen, sondern auch zu ihr, meint er einschätzen zu können:“ Das ist nicht das was ihr getragen habt. Was hattet ihr an?“

Sie hält ihm das Glas nicht hin. Vielmehr haut sie sich auf einen Stuhl, legt ihre Beine auf einen zweiten, krallt sich die Flasche selbst und schenkt sich ein. Einen Augenblick sieht sie auf das Glas, dreht es in der Hand hin und her, dann geht der Blick zurück zu Ataeric. Was für eine Veränderung, die darin vorgegangen ist! Wie weggeblasen scheint das Misstrauen, die Wut, Ruhe ist darin zurückgekehrt, doch scheint es dieses Mal nicht die gespielte von vorhin, doch ehrliche zu sein, die verspricht, dass das folgende Gespräch weit fruchtbarer werden könnte als das Geplänkel bisher. Sie nimmt sich erneut eine Zigarette und steckt sie an. Chelia mag wohl viele gute Eigenschaften haben (oder auch nicht), eine große Resistenz gegen den Geist benebelnde Substanzen scheint sie jedoch nicht zu besitzen.

"Eine Einschätzung wollt Ihr von mir," wiederholt sie seine Bitte und macht dann wieder eine längere Pause. "Meine Einschätzung ist, dass wir hier eine hochexplosive Mischung haben. Meine Einschätzung ist, dass Hel Nergal wohl die Macht an sich zu reißen versuchen wird. Das liegt in seinem Charakter, und ich sage Euch, die Macht in den Händen eines Hel Nergal ist nicht das, was die meisten anderen hier wollen. Dann wird Blut fließen, seines, meines, oder aber dies der kleinen Händlerin. Dann haben wir die Priesterin, die natürlich ziemlich fanatische Neukultistin ist. Hel Nergal und die Händlerin sind Altkultisten, und auch da könnte es noch gehörig krachen. Solange in den Häusern genug Kleider und Lebensmittel herumliegen, wird es ruhig bleiben, dann aber..."

Sie macht eine kurze Pause, seufzt.

"Dann aber bin ich froh, dass ich die hier," sie zeigt auf ihre Asnivala, "dabei habe. Wir müssen auf schnellstem Wege die Insel erkunden. Was wächst hier, gibt es Wild, das man jagen kann. Wir brauchen geeignetes Holz für Bögen, wir brauchen Bogensehnen, denn mit Pejure und Asnivale kann man schlecht jagen. Und, wir müssen irgendetwas anpflanzen. Wir haben keinen Bauern hier, doch ich hoffe, wir kriegen selbst die Zucht von ein paar Posheyti hin, etwas Verdujon und so. Denn wenn die Nahrung ausgeht, dann Gnaden uns alle Götter, egal von welchem Kult."

Sie nimmt einen Schluck von ihrem Glas, ohne jedoch den Blick von Ataeric zu nehmen.

"Was mich betrifft, ich bin in einem Gebüsch eingeschlafen und dann in einem Gebüsch wieder aufgewacht. Mit dem großen Unterschied, dass ersteres vor den Toren Estichàs stand, zweiteres auf dieser Insel. Ich trug eine alte, abgetragene, zerrissene Uniform der Armee des Elurischen Reiches. Zur Zeit der Großen Schlacht war ich nämlich Angehörige der Armee, habe mich später jedoch zurückgezogen aus dem Leben der Stadt, aus... persönlichen Gründen."

Das konzentierte Interesse ,welches er bis jetzt gezeigt hat, verliert sich bei ihren Ausführungen immer wieder zu einem nachdenklichen Gesichtsausdruck, der nicht weniger intensiv als die Aufmerksamkeit zuvor ist. Welche Worte genau seine Gedanken befeuern wird nicht ersichtlich, genügend scheinen es jedenfalls zu sein um auszureichen, ihn auch nach ihrem Abschluß für einige Herzschläge in sich gekehrt zu halten.
„Die Mehdori sollte in der Lage sein etwas Eßbares aus den Böden zu holen“, bemerkt er barsch und hält sich erst gar nicht damit auf, sich zu fragen ob diese dazu bereit wäre. „ In der Stadt gibt es Waffen. Vielleicht auch Bögen, Fallen.. was man so braucht. Jemand hat sich viel Mühe gegeben uns in den ersten Tagen versorgt zu wissen, gut möglich dass er sich darüber hinaus Gedanken gemacht hat.“ Er dreht das volle Glas ebenfalls in den Händen und verharrt still, sich ihre Worte noch einmal in Erinnerung rufend während er auf die dunkle Flüssigkeit starrt:“ Aber ich stimme euch zu, dass.. dieser Ort gründlich erkundet werden sollte“, murmelt er abgelenkt, bis sie plötzlich wieder seine volle Beachtung erhält und er sie ansieht:“ Was meint ihr damit ihr habt eine alte Uniform getragen? Wollt ihr damit sagen, dass ihr diese bereits längst abgelegt hattet? Habt ihr sie hier? Zeigt sie mir!“