Forum Übersicht - RE: Atem schöpfen - 2

Während die Gedanken in die Vergangenheit reisen, strebt die Zeit im Diesseits in unerschöpflichem Rhythmus vorwärts und lässt die Soa ihrem vorgeschriebenen Pfad über den Himmel folgen. Wie so oft scheinen die Stunden zu verfliegen, als hätte man selbst in einem Zeitraffer verweilt, ohne sich der Fülle an Gedanken bewusst werden zu können, welche in diesem Zeitraum die Grenze des Bewusstseins passiert haben. So ist auch bereits die Dämmerung über die Küste hereingezogen und und das purpurne Band am Horizont wirft ein anmutiges Aquarell in den sich verdunkelnden Himmel. Das Intermezzo der beiden Verfeindeten ist gerade vorüber und hinterlässt vielleicht noch ein übles Nachgegühl als aus der Ferne der Klang von blechernen Schellen zu hören ist.
Der Herold hatte getrödelt, kein Mensch würde so lange brauchen, um diese Hand voll Leute auf ein morgiges Treffen hinzuweisen. Doch wer würde sich auf dieser zeitlosen Insel nicht jegliche Muße zugestehen, immerhin bestand hier weder Not zum Drang, noch zur Hetze. So schlendert der junge Spielmann die Straße entlang, einen halben Laib Brot unter dem Arm und die feie Hand in die Tasche seiner Pluderhose geschoben. Vergnüglich wie eh und je setzt er seine Schritte, bis er an der Veranda angelangt ist, über die weggeworfe Flasche hinweg steigt und die paar Stufen hinauf nimmt. "Du hast hier ja wirklich den Logenplatz erwischt." merkt er schmunzelnd an, während mit gewendetem Kopf das Farbspektakel am Horizont betrachtet. Kaum hat er sich Hel wieder zugewandt, erfolgt eine subtile Musterung, als wolle er sich rasch und unbemerkt, ein Bild von dessen Stimmung machen.

Nüchtern ist Hel schon lange nicht mehr, das sieht der Spielmann auf den ersten Blick. Obwohl seine Stimme schon etwas rauh ist von dem dunkelbraunen Elixier in seinem Becher, spricht er aber klar und ohne Zungenschlag.
„Irgend etwas muß man sich gönnen in diesem Irrenhaus hier.“: sagt er mit einem Anflug des zynischen Humors den der Barde schon kennengelernt hat.
„Setzt dich, wenn du Einen mittrinken willst. Becher stehen hier irgendwo herum und wenn dir Wein lieber ist, dann bediene dich aus der Kiste da.“
Er deutet auf eine kleine Holztruhe an der Wand neben der einzigen Bank auf der Veranda. Er nimmt die Asnivala, auf die er völlig vergessen hat, lehnt sie neben sich an die Wand und läßt seinen Blick einen Moment über das Farbspektakel am Himmel wandern.
„Manchmal denke ich mir, das jeden Augenblick die Kulissenschieber auftauchen und den Hintergrund abmontieren, so unglaublich schön kann es hier sein. Fast zu schön um wahr zu sein.“
Dann richtet er seinen Blick wieder auf den Barden.
„So wie es aussieht, schulde ich dir eine Rasur. Die Neuigkeit hat sich schon herumgesprochen. Vor kaum einer halben Jhane kam das Zwysel hier angetanzt, um mir den Tag zu verderben.“
Er greift nach seinem Becher und schüttelt den Kopf.
„Was in diesem kranken Hirn vorgeht, ist mir ein Rätsel. Vor ein paar Tagen will sie mich über die Klinge springen lassen und jetzt kommt sie daher und will sich mit mir prügeln, um den Herrschaftsanspruch! Ich hab schon einiges erlebt, aber die Nachtwächterin schlägt alles an schwachsinniger Abartigkeit.“

"Das sollte man tatsächlich! Und zwar so viel und oft wie irgend möglich und nicht bloß weil man gerade das irrenhaus um sich herum entdeckt hat." erwidert der Barde munter, ehe er sich die Laute von der Schulter zieht und diese gegen den Tisch lehnt. Das Brot wird auf dem Tisch abgelegt, sicherlich mal wieder als Mahlzeit zwischen Tür und Angel gedacht und nun doch immerhin eine Grundlage für den Gemeinsamen Rumkonsum. Anschließend zieht er sich einen Stuhl zurecht und lässt sich klimpernd darauf nieder. "Also wenn das eine Kulisse ist, ein Jubel an den Künstler. Unter anderen Umständen würde man hier wohl wirklich gerne seinen Lebensabend verbringen, was?" nach dem Rum greifend, gießt sich der Spielmann einen frischen Becher voll und lehnt sich damit gemütlich zurück. Neugierig lauscht er dem Grund der Ruhestörung, nippt gerade am Rum und verschluckt sich fast, als Hel den Herrschaftsanspruch erwähnt. Unter einem unterdrückten Husten richtet sich der Barde wieder auf und macht ein Gesicht, als hätte er auf eine Zitrone gebissen. "In Ordnung...also ich schätze das ist teilweise wohl auf meinem Mist gewachsen." gesteht er mit einem eckigen Schmunzeln und fährt sich mit der Hand durch die Locken. "Nach dem Vorfall am Strand habe ich ihr geraten eine Lösung zu suchen in der möglichst keiner das Zeitliche segnet. Ein Kräftemessen ohne Waffen, oder zumindest etwas entschärftem Ausgang, schien mir da eine recht logische Alternative zwischen zwei Kämpfern. Allerdings hatte ich keine Machtherrschaft im Sinn und..." er kratzt sich mit einem Schulterzucken den Bart. "Naja, ich hätte es etwas epischer formuliert..." er grinst fast schon etwas entschuldigend. "Aber ich hatte zu dem Zeitpunkt auch noch nicht ganz das Ausmaß Eurer Auseinandersetzung vor Augen. - naja zugegebener Maßen habe ich das jetzt auch noch nicht, aber ich kann durchaus verstehen, dass es dir hier nicht mehr länger bloß ums Prinzip geht." kurz schweigt er und lässt die Fingernägel in einem klackernden Rhythmus gegen den Becher titschen. "Wir müssen darüber jetzt nicht sprechen, ich will dir den Abend nicht noch mehr verderben. Aber wenn du einen Weg siehst das Ganze aus der Welt zu schaffen, ohne dass ihr, oder dein Leben dabei drauf geht, dann wäre ich dankbar, wenn du zumindest darüber nachdenkst."

Nachdenklich nickt Hel.
„Da hast du schon Recht. Ich muß ehrlich sagen, mir gefällt es hier. Wären da nicht diese seltsamen Geschichten und dieses völlig unbegreifliche Auftauchen von uns Allen. Sonst würde ich mich mit Freuden hier zur Ruhe setzen.“
Er nimmt einen kräftigen Schluck und wischt sich mit dem Handrücken über den Mund.
„Gut. Bevor wir uns den angenehmeren Seiten des Lebens zuwenden, laß mich dir sagen, ich habe darüber nachgedacht. Was du auch immer über mich gehört haben magst, ich habe keine Freude am Töten. Ich habe soviel Tod gesehen, das es für ein paar Leben reicht. Aber versuch dich für einen Moment in meine Schuhe zu stellen. Sie hat einmal versucht mir das Licht auszublasen und ist dabei auf die Nase gefallen. Also wird sie es mit großer Wahrscheinlichkeit wieder versuchen, das nächste Mal vermutlich geschickter. Ich kann natürlich warten und mich auf mein Glück verlassen. Aber tätest du es? Wenn ich sicher gehen will, nicht eines Morgens mit einer Klinge im Rücken aufzuwachen, muß ich sie mir auf die eine oder andere Art vom Hals schaffen. Nicht weil es mir Freude macht, sondern weil ich ein paar von den geschenkten Jahren leben möchte, schlicht und einfach leben. Laß dir das einmal durch den Kopf gehen.“
Es ist nicht die Trunkenheit, die besonders seine letzten Sätze so eindringlich macht. Vielleicht ist es das Wissen, so viele Jahre vertan zu haben, vielleicht ist es bloß der Wunsch am Leben zu bleiben, der Rum ist es nicht. Langsam lehnt er sich wieder zurück.
„Haben die Anderen zugesagt?“: wechselt er das Thema.

"Ich weiß, Hel. Ich habe deine Sicht der Situation sicherlich nicht außer Acht gelassen." erwidert der Barde ernst. "Ich hab' Chelia bisher nicht darauf ansprechen können was in dieser Nacht passiert ist. Sie hat es mir nicht erzählt und sie wird ihre Gründe dafür haben. Ich kenne sie auch sicherlich noch nicht lange, aber sie wirkt auf mich nicht wie eine eiskalte Mörderin." erneut reibt sich der Barde den viel zu langen Bart, seufzt leise und hebt die Schultern, ehe er sich wieder zurücksinken lässt. Ein Bein hochziehend und den Fuß auf der Stuhlkante abstützend blickt er Hel entgegen. "Wir alle hier wollen doch nur leben, Hel. Aber dieses Leben soll doch bitte nicht direkt schon auf Leichen fundieren und es steht doch noch so viel mehr auf dem Spiel. Du bist gewiss nicht der Einzige hier, der dringend seinen Frieden braucht..." die Worte des Mannes erklingen leise, aber mit einer Eindringlichkeit, die kaum einen Zweifel lässt von wem er redet. "Man kann Probleme auch manchmal einfach aus der Welt schaffen, indem man sich ausspricht und sich gegenseitig zuhört. Ich würde dich nur darum bitten ihr die Chance zu geben sich zu erklären. Wenn du danach immer noch keinen anderen Ausweg siehst, hast du höchstens ein wenig Zeit verschwendet."
Noch kurz ruht der gutmütige Blick auf Hel, dann nimmt Javero noch einen Schluck Rum und lässt den Blick zum Horizont schweifen, an welchem sich das purpurne Band zusehends schmälert. "Ja, es werden morgen alle da sein (ich geh jetzt mal davon aus, dass Ataeric nicht streikt ;P )." erwidert er nickend. "Wir haben noch eine neue Mitbewohnerin. Hast du sie schon kennen gelernt?" kommt ihm sogleich die quirlige Jungallianzerin in den Sinn und er wendet den Kopf grinsend zu dem Vorovisen.

„Wieviele Meuchler kennst du, Javero?“:frägt er leise, hört ihm dann aber weiter zu ohne ihn nochmals zu unterbrechen. Aber als er dann von dem Frieden spricht, den auch Andere brauchen, verändert sich der Ausdruck seines Gesichts ein wenig. Betroffenheit, Einsicht, Melancholie, Zuneigung oder ein wenig von all dem lassen ihn mit einem Mal zugänglicher erscheinen und als der Barde seine Bitte äußert, nickt Hel überraschender Weise zögernd.
„Also gut. Ich rede mit dem Zwysel. Mein Klinge wird durch reden nicht stumpfer.“: sagt er etwas unsicher, so als wäre er sich nicht sicher, das Richtige zu tun.
„Ich will ehrlich sein, Javero. Ich tue es nicht deinetwegen. Ich will nicht wieder ihren Haß auf mich laden. Ich versuche es. Aber ich bin dir dankbar, daß du mich mit der Nase darauf gestoßen hast. Alles Weitere liegt dann in ihrer Hand.“
Etwas hastig greift er sich seinen Becher, nimmt einen Schluck und atmet kräftig durch. Es scheint als sei ihm eine Last von der Schulter genommen, aber eine Neue dafür aufgelegt worden. Erst als Javero von der neuen Mitbewohnerin spricht, zeigt sich ein schmales Grinsen.
„Ja, ich bin ihr gleich an ihrem ersten Morgen über den Weg gelaufen. Sieht wirklich gut aus. Ich habe sie zu mir eingeladen und wir haben uns eine ganze Weile unterhalten. Recht praktisch veranlagt, der Lockenkopf und ein Blatt nimmt sie sich auch nicht vor den Mund. Hat sie mir doch recht bald zu verstehen gegeben, daß sie meine Tochter sein könnte. Ich hab ihr nicht widersprochen, aber ihr auch nicht auf die Nase gebunden, daß sie im Prinzip schon meine Enkelin sein könnte. Irgendwie fand ich das unpassend.“

Die Frage des Bärtigen wirft den beflissenen Vortrag des Barden kurzzeitig aus der Bahn. Es ist nur ein flüchtiger Augenblick, ein Holpern, als hätte bloß ein Herzschlag ausgesetzt, doch in diesem legt sich ein Schatten über das sorglose Gesicht und ein kurzes Blinzeln zeugt von einem kurzzeitigen Verlust der Konzentration. Schnell hat er sich jedoch wieder gefangen und ohne die Frage zu beantworten, setzt den beherzten Monolog fort, anschließend gebannt auf die Reaktion des ehemaligen Provisors wartend. Das erleichterte Lächeln spricht Bände und als wäre mit dem ernsten Gespräch nun auch jeglicher Grund für Ungemütlichkeit gewichen, zieht der Spielmann die Beine in den Schneidersitz und prostet Hel zu. "Für wen auch immer. Ich danke dir." nickt er dem Mann zu, nimmt selbst einen Schluck und lauscht dann Hels Einschätzung bezüglich der neu Zugewanderten. Lachen nickt er und der Schalk glimmt schon wieder ganz ungetrübt als Funke in seinen Augen. "Ja, so hätte ich sie auch eingeschätzt. In der Allianz wissen die Frauen, wie sie sich behaupten können." behaglich greift der Spielmann nach dem Brot und bricht sich ein Stück davon ab, ehe er es anbietend Hel entgegen hält. "Aber mit dem Großvater würd' ich nun auch nicht hausieren gehen. Das finde sogar ich verstörend und ich hab schon Yoromi lachen hören." er grinst seinem Gastgeber fein entgegen, ehe er sich ein Stück Brot in den Mund schiebt. "Kochst du eigentlich, oder lebst du auch von allem was du so findest?" erkundigt er sich, wohl neugierig, ob sich solch ein gestandener Krieger wohl in die Küche stellen würde.

Nicht nur dort, nicht nur dort.“: entgegnet er Javero auf seine Bemerkung über Frauen aus der Allianz. Als ihm Javero ein Stück Brot reicht, steht er schon leicht schwankend auf.
„Warte einen Moment, ich hab irgendwo noch Käse und ein paar Streifen Dörrfleisch.“
Hel verschwindet im Haus und der Barde kann ihn rumoren hören, bevor er mit einem Teller und einem Messer zurückkommt und das Essen auf den Tisch stellt.“
„Greif zu.“: sagt er und setzt sich und nimmt das Brot, daß ihm der Barde reicht.
„Tue ich auch nicht. Obwohl es mir niemand abkaufen würde, der mich nicht von der anderen Seite kennt.“
Er spült einen Bissen mit etwas Rum nach und bekommt einen Hustenanfall als sich der Barde nach seinen Kochkünsten erkundigt. Es dauert eine kleine Weile bevor er Antwort geben kann.
„Ich und kochen? Das gäbe den Gerüchten über meine Giftmischerei nur neue Nahrung und ich wünsche dir nicht, daß du jemals in die Verlegenheit kommst, etwas essen zu müssen, daß ich zubereitet habe .Abgesehen von einem über dem Feuer gerösteten handfesten Stück Fleisch, aber leider ist das hier Mangelware. Also ich lebe von dem was ich finde. Bald wird es schwieriger werden. Das Brot ist jetzt schon hart und der Käse wird auch bald von Maden wimmeln. Ich hab mir schon überlegt fischen zu gehen, aber davon habe ich auch so viel Ahnung wie ein Jewaka vom Trommeln.“
Mit einem Seufzen nimmt er noch einen Schluck.
„Ich wollte Vella würde uns jetzt einen ihrer Eintöpfe auf den Tisch stellen!“

Grinsend beobachtet der Barde das verräterische Schwanken, welches von dem bereits fortgeschrittenen Rumkonsum des Vorovisianers kündet und nimmt als Ansporn gleich noch ein gutes Schlückchen von dem guten Tropfen, wollte man ja nun nicht nüchtern zurückbleiben. Der Käse wird sogleich freudig empfangen und ohne scheu verkostet, als die vermeintlich harmlose Frage aber auch schon ein herzhaftes Gelächter induziert. "Dann geht's dir wie mir." erwidert der Spielmann glucksend. "Barden sind Kulturfolger. Wir tummeln uns in Gesellschaft und kriegen immer irgendwas ab." beschreibt er das Schmarotzertum auf ziemlich euphemistische Weise. "Setz uns bloß niemals in der Wildnis aus, da sind wir so gut wie verloren. Freilich würde ich es wohl auch noch hinkriegen ein Stück Fleisch auf einen Stock zu spießen und es über ein Feuer zu halten, allerdings müsste das Fleisch dafür auf Bäumen wachsen, oder vom Himmel fallen." er hebt schmunzelnd und nach wie vor unbekümmert die Schultern. Bei Vellas Erwähnung nickt der Lockenschopf versonnen und reibt sich den Bart. "Ja, in der Tat, dagegen sieht Brot und Käse ziemlich alt aus! Obwohl ich tatsächlich heute noch jemanden gefunden habe, der mich verköstigt hat. Wusstest du, dass du einen innovativen Freizeitkoch als Nachbar hast? Ataeric hat das unglaubliche Talent ein Rezept nachzukochen, ohne auch nur eine einzige identische Zutat zu benutzen. Ich war wirklich maßlos beeindruckt." witzelt der junge Mann vergnügt, ehe er sich noch ein Stück Käse genehmigt, um das Ganze anschließend genüsslich mit einem Schluck Rum abzurunden.
"Wie habt ihr euch kennen gelernt, du und Vella?" erkundigt sich der Spielmann schließlich neugierig, wohl durchaus interessiert für die Vergangenheit des ehemaligen Paares, welches nun durch die Bürde einer scheinbar willkürlichen Zeitverzerrung wieder zueinander gefunden hatten.

„Ich brauchte mich viele Jahre nicht um Verpflegung zu kümmern. Viel mehr als mit dem Finger schnippen mußte ich nicht und schon war der Tisch gedeckt. Egal ob im Morgengrau oder in der sinkenden Nacht. Ich muß zugeben, das vermisse ich hin und wieder.“: erklärt er mit einem Hauch nostalgischer Wehmut.
„Ich schmeiße einen ganzes Käserad für einen Teller von ihrem Schmortopf den Metcha.“: kommentiert er bedauernd. Bei der Schilderung von Ataerics Kochkünsten allerdings winkt Hel ab.
„Das hört sich verdächtig nach meinen Versuchen an. Aber gut das du mich gewarnt hast. Wenn er mich jemals zum Essen einlädt, werde ich laufen, schnell und weit.“
Grinsend nimmt er einen Schluck.
„Erstaunlich finde ich allerdings, daß das auch noch hinunter gewürgt hast.“
Sein Grinsen verschwimmt langsam zu einem wehmütigen Lächeln, als der Barde nach ihrem ersten Kennenlernen frägt.
„Das ist eine Ewigkeit her. Es war in Lidraja. Ich seh sie heute noch vor mir, elf oder zwölf Stürme war sie alt, mit zwei langen Zöpfen und roten Maschen. Khaled, ihr Bruder hat sie mir vorgestellt, ich habe ihr auf dem Markt Süßigkeiten gekauft und sie auf den Schultern herum getragen. Das war das allererste Mal.“
Sein abwesender Blick scheint durch Javero hindurch zu gehen.
„Ich hab sie die Jahre hindurch immer wieder getroffen. Sie war schon mit fünfzehn eine Schönheit, aber verstehst du, sie war die kleine Schwester meines besten Freundes. Drei Jahre später mußte ich Lidraja schnell verlassen, und bin nach Esticha und ein Jahr später ist sie vor meiner Tür gestanden.
Sie ist von zu Hause ausgerissen, meinetwegen. Kannst du dir das vorstellen?“
Er schüttelt versonnen den Kopf und sieht Javero an.
„Es waren zwei schöne Jahre, die wir miteinander verbracht haben bevor dem ganzen Schwachsinn den ich dann mit angezettelt habe.“

"Oh, es war durchaus genießbar!" verteidigt der Barde die improvisierte Speise des Gedächtnislosen mit verdächtig glitzernden Augen. "Ich lade mich jederzeit gerne aufs Neue bei ihm ein. Es ist sicherlich weit entfernt von Vellas Eintopf, aber ich bin nicht wählerisch. Und irgendwie hatte es diesen vollkommen abgedrehten Charme." das Glucksen zeugt von einer gewissen Sympathie für den schrulligen Hünen.
Sich noch etwas gemütlicher in das Sitzmöbel lümmelnd nippt Javero hin und an am Rum, während er der Erzählung lauscht. Er lächelt breit bei dem Versonnenen Ausdruck des mordenden-giftmischer-Erzfeindes und scheint durchaus das nötige Gespür für die Romantik zu haben, welch die Geschichte vermittelt. "11 Stürme...Dann kennt ihr euch ja wirklich schon eine Ewigkeit." erwidert er staunend. "Ach naja, vorstellen kann ich mir das schon. Vielleicht warst du ja früher mal ein schmuckes Kerlchen. Frisch rasiert, gestähltes Kreuz, mit netten Lachfältchen um die Augen. Vella hat einen guten Geschmack, da wird schon was dran gewesen sein." er zwinkert dem Älteren fröhlich zu. "Hat dich ihr Bruder denn heimgesucht und verprügelt für diese Schandtat?"

Der Gesichtsausdruck Hels ist milde gesagt ungläubig, als Javero den vollkommen abgedrehten Charme von Ataerics Küche lobt.
„Das du nicht wählerisch bist, das glaube ich dir aufs Wort.“: stimmt er ihm schmunzelnd zu.
Hel streckt die Beine unter dem Tisch aus und angelt sich seinen Becher.
„Es ist eine verdammte Ewigkeit. Aber weißt du was das Schlimmste ist? Für mich war sie zehn oder weiß Lijan wieviel Jahre lang tot. Ich bin mindestens hundert Mal an der Ehrentafel vorbei gegangen auf der auch ihr Name steht. Ich habe mit dem Wissen gelebt, daß sie ins große Schweigen gegangen ist, mit all ihrem Haß auf mich, vorbei uns aus. Nicht das ich sie vergessen hätte, nein. Aber ich hatte einen Schlußstrich gezogen. Dann steht sie plötzlich vor mir und alles ist wieder da, so als wäre es gestern gewesen.“
Langsam macht sich jetzt der Rum bemerkbar. Obwohl er immer noch klar und deutlich spricht, bedient er sich immer wieder des harten Akzents der Schwarzen Stadt ohne das es ihm auffällt.
„Das mit dem guten Geschmack stimmt wohl, den hat sie. Deshalb geht es mir immer noch nicht in den Kopf hinein, das sie sich ausgerechnet mich ausgesucht hat. Mit mir hat sie gründlich in die Scheiße gegriffen. Aber das ist nicht mehr zu ändern.“
Die resignierende Geste läßt etwas Rum aus seinem Becher schwappen.
„Khaled? Der hat Vella geholfen, sonst wäre sie nicht einmal aus der Stadt gekommen. Der Alte war ein Geizkragen und hat sie so kurz gehalten, daß sie nicht einmal die paar Münzen für die Überfahrt über den Fluß gehabt hätte. Für ihn war das die Gelegenheit dem Alten eins auszuwischen.“
Er vergießt ein paar Tropfen Rum im Gedenken an seinen alten Freund, wie es in Vorovis Sitte ist.

Der Barde kommentiert die Worte mit einem verständnisvollen Nicken. "Du hattest zumindest ein Jahrzehnt Zeit es zu verdauen und dir deine Gedanken zu machen." erwidert er. "Für Vella ist das alles noch ziemlich aktuell. Ein Nachteil den sie sicherlich erstmal aufholen muss." er hebt leicht die Schultern, reckt sich etwas vor und greift nach dem Rum, um sich nachzuschenken. Kurz dreht er den Becher in den Händen und mustert den Vorovisianer, als würde er seine Worte abwägen. "Warst du denn damals schon ein giftmischender Volksvernichter mit Tendenz zur Häresie?" erkundigt er sich dann trotz Abwägung irgendwie genau so schonungslos, wie es ihm seine Zunge wohl diktiert. "Ich meine, das Leben besteht nunmal aus einem stetigen Wandel, aus Chancen und Entscheidungen und könnten wir manche Entwicklungen früher absehen, würden wir an bestimmten Kreuzungen sicherlich einen andere Wege wählen. Aber die Chance haben wir für gewöhnlich nicht." er macht eine vielsagende Handbewegung in die unwirklich-harmonische Nacht hinein, deren Bühnenbild mittlerweile durch einen Tintenschwarzen Himmel mit wohlakzuentiertem Himmelsleuchten und Grillenzirpen ausgetauscht wurde. "Hast du sie von Anfang an belogen?" will er schließlich noch wissen, doch liegt in seiner Stimme keine Anklage, oder auch nur ein Vorwurf. Vielmehr wirkt es einfach wie ehrliches Interesse für diesen schicksalbehafteten Weg der beiden einstig Liebenden.
Neugierig beobachtet er das Ritual mit dem Rum, welches er in diesem Moment aber wohl tatsächlich nicht zuzordnen weiß, immerhin verschüttete eine rumgeschwängerte Hand schonmal gerne ein paar Tropfen. "Ich nehme an er lebt nicht mehr." mutmaßt der Spielmann dann aber doch in die richtige Richtung. "Vella sagte sie hätte nichts mehr zu dem sie zurückkehren könnte..."

„Ich hab es nicht verdaut, Javero, ich hab es zugedeckt.“ Er sieht in die Nacht hinaus.
„Ich wußte nicht warum sie mich so haßte und fürchtete, wie sie es getan hat, das habe ich erst hier erfahren. Ich hatte es einfach überdeckt, mit meiner Unterschrift, die sie auf die Ehrenliste brachte, mit all den Wichtigkeiten und Aufgaben.“
Es ist keine Weinerlichkeit in seiner Stimme , er zieht Resümee, bewegt und betroffen, aber ohne Selbstmitleid.
„Ich bin auf der Straße aufgewachsen und auch später als Flüchtling war meine einzige Möglichkeit an etwas zu kommen der Dolch und später auch Gift und seltene Drogen. Die Tempel waren mir egal, bis ich von Lijan erfuhr.“
Eine Spur eines spöttischen Lächelns zeigt sich auf seinem Gesicht.
„Jetzt argumentierst du fast wie ein Lijani mit dem ständigen Wandel und Chancen. Vielleicht hast du recht, vielleicht nicht. Ich weiß nicht ob ich wirklich einen anderen Weg eingeschlagen hätte, aber ich hätte mit Sicherheit einiges anders gemacht auf meinem Weg.“
Hart klingen seine Worte in der typischen vorovisianischen Aussprache, in die er jetzt vollständig verfallen ist.
„Ich habe sie nicht belogen, Javero, abgesehen von alltäglichen Kleinigkeiten. Sie kannte zwar keine Einzelheit, die habe ich immer versucht von ihr fernzuhalten, aber sie wußte wer ich war und was ich tat. Nur einmal habe ich sie wissentlich angelogen, als sie mich zu ihr gelassen haben, vor dem Prozess und das bedauere ich jetzt gründlich. Vielleicht wäre alles anders gekommen, hätte ich ihr damals die Wahrheit gesagt. Es wäre auch anders gekommen, wenn sie auf mich gehört hätte. Ich wollte sie wegschicken aus Esticha, fort aus der Gefahrenzone, aber sie ging nicht. Sie war durch nichts zu bewegen, stur wie ein altes Roputan.“
Für einen wehmütigen Augenblick sieht er in die Ferne bevor sich sein Blick wieder dem Barden zuwendet.
„Er ist tot. Sein Tod ist auch zwischen Vella und mir gestanden. Sie glaubte ich hätte etwas damit zu tun gehabt, daß ich ihn in eine Falle gelockt hätte. Er war mein Freund, Javero. Ich habe erst Wochen später von seinem Tod erfahren. Aber wenigsten das ist ausgeräumt. Ich wollte ich könnte auch alles andere irgendwie gut machen, aber das wird wohl beim Wunsch bleiben.“
Es vergehen ein paar Augenblicke bevor er abwesend hinzufügt, in einem Tonfall der klingt als ob ihm ein Gedanke über die Lippen schlüpft, der nicht dazu bestimmt war ausgesprochen zu werden.
"Ich bekomme dich nicht mehr aus meinem Kopf."

"Tatsächlich?" der Spielmann schmunzelt etwas skeptisch. "Ich kenne die Lehren Lijans nicht, aber jede Religion bietet für die richtigen Ohren die richtige Wahrheit." er hebt unbekümmert die Schultern, scheint er sich nicht zu scheuen diese gotteslästerliche Meinung in nicht minder gotteslästerlicher Gesellschaft zu äußern. "Es spielt auch sicherlich keinen Rolle, ob du früher etwas anders gemacht hättest, die Option stellt sich dir schließlich nicht mehr. Aber nun sitzen wir hier, mehr oder weniger Weise, rumgeschwängert und auf einer einsamen Insel gestrandet und kennen die Fehler unserer Vergangenheit ganz genau. Das hilft ja irgendwie schon weiter. Wir wissen welche Wege wir nicht mehr bestreiten wollen. Du hast gerade eben erst eine neue Abzweigung genommen." er lächelt dem Bärtigen zuversichtlich entgegen, nimmt sich noch ein Stück Brot und lässt nach Hels Worten einen Moment der Stille aufkommen.
"Ich schätze die Liebe lässt einen über vieles Hinweg sehen und Probleme ignorieren, selbst wenn der Kopf es besser weiß." nimmt er das Gespräch nach diesem Moment des einvernehmlichen Schweigens wieder auf. "Vermutlich die einzige Möglichkeit uns grauenvolle Schöpfung mit all unseren Fehlern und Unzulänglichkeiten aneinander zu binden, sonst würden wir wohl alsbald aussterben." er gluckst bei diesem endzeitstimmungsvollen Gedanken, fährt dann aber fort: "Sie muss dich wirklich sehr geliebt haben, wenn sie das alles gewusst hat und trotzdem geblieben ist." den Blick in die nachtumwobene Ferne gerichtet genießt der Barde noch einen Schluck Rum, ehe er leicht nickt. "Wahrscheinlich hast du recht und das was geschehen ist kann nicht wieder gut gemacht werden. Wunden können verheilen, aber Narben werden immer bleiben. Aber wenn du ihr nicht das Gefühl gibst entstellt zu sein, wird sie sich auch nicht so fühlen. Vielleicht lässt sich eine neue Basis finden in der ihr euch beide wohl fühlt."
Ob Hel die letzten Worte wirklich noch mitbekommen hat ist fraglich und so mustert der Spielmann sein Gegenüber aufmerksam, während dieser in Gedanken versinkt. Seine versunkenen Worte lassen Javero leicht grinsen, liegt ihm der alberne Kommentar wohl schon auf der Zunge, doch beherrscht er sich ganz unverhofft, als wäre ihm die Inbrunst der rumgeschwängerten Gedankenreise durchaus bewusst. Einen Moment lang scheint der Barde zu überlegen Hel nun lieber seine Ruhe zu lassen, doch bleibt er sitzen, sich selber ein wenig an die Gesellschaft klammernd, welches dem Spielmann sicherlich mehr fehlt, als jedem anderen hier.