Forum Übersicht - RE: Bei Misaki - 5

Wieder im Bett ist Ira froh, daß sie Misaki gerufen hat. Ohne ihre Hilfe wäre sie garantiert ein paar Mal mit dem verletzen Bein aufgetreten. Aber sie ist verwirrt und gleichzeitig hat sie ein schlechtes Gefühl. Misaki, die sie pflegt, als wär sie ihre Tochter und Sundara mit der Asnivala. Fremde und trotzdem kümmern sie sich um sie. Mehr als irgendwer sonst seit vielen Jahren. Wenn sie etwas gelernt hat, dann ist es das nichts umsonst ist im Leben. Sie versteht nicht was die Elurierin bewegt und Misaki schon gar nicht. Trotz ihrer Zuneigung zu ihr. Sie fühlt sich wie ein Schuldnerin der die Schulden über den Kopf wachsen. Als Misaki mit dem Essen kommt, schaut Ira mißtrauisch auf das Essen. Algen? Wer ißt schon Algen? Aber sie will Misaki nicht verärgern und beginnt zu essen. Zu ihrer Überraschung schmeckt das Essen köstlich. Sie vertilgt alles und mit Genuß. Dann hört sie Misaki zu. „Mach ich.“: sagt sie und schaut dann einen Moment auf ihre Hände. „Ich bin nicht gut in sowas.“: erklärt sie leise und schaut wieder zu Misaki. „Ich will euch danken. Dafür das ihr mich behandelt wie ein Tochter. Für eure Hilfe, für Alles. Aber ich find nicht die richtigen Worte. Danke, Misaki!“ Wieder schaut sie einen Moment weg. „Da ist noch was.“: sagt sie leise und hebt wieder den Kopf. „Sagt mir, warum tut ihr das alles für mich? Ich versteh es nicht. Ich bin doch eine Fremde!“

“Du ehrst mich mit deinen Worten, aber du irrst dich Ira! Du hast genau die richtigen Worte gefunden, direkt aus dem Herzen.”: entgegnet Misaki mit einem Lächlen und verbeugt sich leicht. Dann wartet sie ruhig bis Ira zu Ende gesprochen hat. “Du brauchst dich nicht zu schämen mir diese Frage zu stellen, Es zeigt mir wieder einmal, daß ich mich nicht in dir geirrt habe.: antwortet Misaki. “Es gibt einige Gründe, solche die ich dir nennen kann und solche die ich dir nicht oder noch nicht enthüllen kann.” Für einen Moment sieht sie Ira an. “Der Grund warum du in meinem Hause bist, ist das ich der Heilerin, die dich zu mir gesandt hat, sagen wir verpflichtet bin. Auf jeden Fall hätte ich dich versorgt, solange bis du gesund geworden wärest. Doch ich wurde ohne es zu wollen Zeuge deines Gesprächs mit deiner Freundin. Da wurde mir klar, daß du eine Kriegerin bist, Ira und damit etwas Besonderes. Deshalb habe ich die Ehrenklinge meines Hauses in deine Hände gelegt, denn eine Kriegerin muß ihren Weg gehen, wo auch immer er hinführt. Hättest du den Weg der Ehre beschritten, hätte ich dich würdig bestattet und dir ein ehrendes Andenken bewahrt, doch ich bin froh das du die Last der Erkenntnis auf die Schultern genommen und die ersten Schritte auf deinem eigenen Pfad gemacht hast. Ich werde dich lehren was in meinen bescheidenen Kräft liegt, weil du es wert bist Ira und weil du dir das Anrecht darauf erworben hast, indem du den Mut aufgebracht hast in den inneren Spiegel zu sehen und zu erkennen.” Misakis Gesichtsausdruck wird weicher und spiegelt die Zuneigung die sich empfindet. “Doch das Wichtigste ist, ich mochte dich vom ersten Augenblick an.”

Iras Augen werden größer und größer als sie Misaki zuhört. Noch nie hat jemand so über sie geredet! Einmal schüttelt sie den Kopf. Aber sie unterbricht Misaki nicht. Dann starrt sie Ira völlig überrascht an. „Mir gings genau so.“: haucht sie und wird rot. Aber dann werden ihre Augen naß. Tränen rinnen ihr über die Wangen. „Aber ihr irrt euch Misaki. Ich bin nichts besonderes. Im Gegenteil! Sie haben mich aus der Armee raus geschmissen. Dann bin ich in der Garnison gelandet. Ich hab gestohlen was ich in die Finger kriegen konnte, erpresst, gesoffen und herum gehurt. Ich hab Leute fertig gemacht, einfach weils Spaß gemacht hat. Einfach so!“ Sie schnippt mit den Fingern. „Aber selbst die Garnison hab ich mir versaut. Ich hab einen Offizier angegriffen. Der hat mich degradiert und unehrenhaft aus der Truppe geworfen.“ Schluchzen unterbricht sie für einen Moment. „Aber das ist immer noch nicht alles. Ich bin vogelfrei und verstoßen! Ich kann nicht mehr in die Heimat zurück! Ich bin eine Versagerin, Misaki! Eine aufgelegte Versagerin! Ich hab alles versaut, was ich je angegriffen hab.“ Es dauert ein bißchen bis sie weiter reden kann. „Ich will euch nichts vormachen. Es ist alles wahr und ihr müßt das wissen. Ich will euch nicht anlügen, indem ich den Mund halte.“

Bei Iras Geständnis bleibt Misaki völlig ruhig und läßt sie ohne jede Unterbrechung zu Ende sprechen. Doch als Ira verschämt zu verstehen gibt, daß sie ihre Zuneigung erwidert, verschwindet viel von der höflichen Distanz aus dem Gesichtsausdruck der älteren Frau. Sie macht keinen Hehl mehr aus ihren Gefühlen und zeigt sie auch. „Du ehrst mich mit deinem Vertrauen und ich danke dir für deine Offenheit.“: sagt sie schließlich als Ira fertig gesprochen hat. „Ich verspreche dir, daß wir uns darüber ausführlich unterhalten werden, doch es ist jetzt wirklich Zeit für deine Medizin. Nur ein Wort noch zu deiner vermeintlichen Unfähigkeit. Du warst und bist keine Versagerin, sondern eine Suchende! Jemand der ohne Licht in einem dunklen Haus nach Türen sucht, stolpert, stößt an, wirft Dinge zu Boden und zerschlägt dabei eine Menge, wie ein Blinder. Du hast niemals gelernt, daß du Zorn, Wut und Haß lenken kannst, sie wie Waffen gebrauchen ohne dich dabei selbst zu verletzen. Du hast den ersten Schritt auf deinem Weg getan, Ira, jetzt bist du keine Blinde mehr. Jetzt bist du verantwortlich für das was du tust oder unterläßt und damit hat für dich die Zeit des Lernens begonnen.“ Dann beugt sie sich vor und nimmt Iras Hand. „Niemand kennt den Willen der Göttin, Ira. Wenn es ihr Wille ist, wirst du deine Heimat wiedersehen, doch nach menschlichen Ermessen ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering das du jemals wieder den Boden Vobras betrittst. Dein Verlust ist also geringer als du denkst.“ Sie läßt Ira los und zählt die Tropfen der gelblichen Flüssigkeit ab, die sie direkt in Iras Tee fallen läßt. „Trink es auf einen Zug und dann noch etwas Tee gegen den Geschmack.“ Misaki reicht Ira die Tasse.

Ira hat sich keine großen Hoffnungen gemacht. Aber tief drinnen hat sie geglaubt, wieder heimzukommen. Als Misaki sagt, daß die Wahrscheinlichkeit sehr klein ist, trifft sie das. Ganz egal ob sie vogelfrei ist oder nicht. Aber sie ist auch irgendwie dankbar. Gewissheit ist besser als in der Luft hängen. Hätte es ihr jemand anders gesagt, hätte sie es nicht geglaubt. Aber bei Misaki ist das etwas Anderes. Sie zweifelt nicht das sie die Wahrheit sagt. Trotzdem schmerzt es. Ira stürzt den Tee mit der Medizin auf einen Zug runter. Auch eine zweite Schale kann den grauslichen Geschmack nicht vertreiben. Schon wird sie müde. „Danke.“: sagt sie noch bevor sie sich zurück legt. Ein bißchen später ist sie auch schon eingeschlafen.

Geduldig wartet Misaki bis das starke Schlafmittel wirkt und Ira in tiefen Schlaf gefallen ist. Sie hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, Ira die Wahrheit über die Möglichkeit einer Heimkehr zu sagen. Das Metatorion wird darüber nicht erfreut sein, doch das Risiko nimmt Misaki in Kauf. Obwohl es Ira getroffen hat, ist sie sich sicher das Richtige getan zu haben. Leise erhebt sich Misaki und holt das Lackkästchen in dem sie ihre Instrumente und Heilmittel aufbewahrt. Sie legt Ira für die Dauer ihrer Behandlung ein Armband an, daß ihre Körperfunktionen mißt und die Ergebnisse der Messung an MedSek weiterleitet. Wie schon zuvor preßt sie einen Metallzylinder kurz an Iras Arm und injiziert mit einem leisen Zischen hochwirksame Medikamente in Iras Blutbahn. Dann nimmt sie das Armband wieder an sich und verstaut es mit dem Metallzylinder in dem Kästchen. Für eine kleine Weile bleibt sie noch bei Ira sitzen und betrachtet ihr schlafendes Gesicht. Dann beugt sie sich vor, streicht ihr zärtlich über die Wange und erhebt sich. Leise schließt sie die Schiebetüre hinter sich, als sie den Raum verläßt.