Forum Übersicht - Schenke zum Silberkrug » Schnaps

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Es dauert eine Weile bis Keresin den Platz der Tänzerin findet. In düsteren Gedanken gefangen ist er gleich mehrmals falsch abgebogen. Seine Seite schmerzt nach dem langen Fußmarsch und seine Stimmung ist nahe dem Nullpunkt als er den Silberkrug betritt. Die Kühle die in im Inneren umfängt ist wohltuend. Weder Wirt noch Gäste sind zu sehen, so geht er zur Theke und ruft laut nach Stanchek dem Wirt. Keresin ist durchaus nicht abgeneigt hin und wieder eine Flasche Wein zu leeren, aber er trinkt nur sehr selten bis zum Rausch. Doch heute ist er darauf aus sich alle Gedanken an Frauen, Ketzer und Elurien aus dem Schädel zu trinken, wenn er den Wirt dazu überreden kann, anschreiben zu lassen. "Stanchek! Kundschaft!": ruft er noch lauter, als es in den hinteren Räumen des Silberkurgs still bleibt.

Keresin wird enttäuscht. Nun, er wird wenigstens insofern enttäuscht, als dass Stanchek wohl nicht zugegen ist. Nach einiger Zeit kommt jedoch jemand aus der Küche, wirft in der Tür eine Schürze auf eine Kommode und geht danach hinter die Theke.

Nun hat Keresin ja bereits einige Damen hier kennengelernt, und allesamt sind auch mehr oder weniger gut aussehend. Da wäre Ira, ein Körper, der von Erotik nur so strotzt, schöne, dunkle Augen, ein kleiner Mund mit vollen Lippen. Freilich hat sie die Eleganz eines ausgewachsenen Roputan. Dann wäre da Lenari, wache Augen, ein nettes Gesicht, doch ein Körperbau, der mehr an einen Kleiderbügel denn an eine Frau erinnert. Sundara mit ihren Aufsehen erregenden Augen, ein hübsches Gesicht, auch sonst keine schlechter Körperbau, aber halt schon recht klein und einfach zu breite Schultern. Freyjare ist wenigstens nicht klein, aber vielleicht doch zu groß und irgendwie doch allzu exotisch. Am ehesten würde wohl Inara irgendeinem Schönheitsideal entsprechen. Und doch wird Keresin in diesem Augenblick auch nicht an sie denken - höchstens halt in negativem Sinne, durch eine doch höchst unerfreulich verlaufene Unterhaltung.

Eine junge Frau kommt aus der Küche, so um die 175 Clat groß. Volles, brünettes Haar ist adrett hochgesteckt und gibt damit den Blick auf einen schlanken Nacken frei. Klare, große und graue Augen schauen ihn aus einem Gesicht heraus an, so fein gezeichnet, wie es die besten Porzellankünstler der Röhre nicht besser hingekriegt hätten. Die Lippen scheinen geradezu zum Küssen gemacht, und das etwas kühle, vornehme Lächeln gibt eine Reihe gerader und weißer Zähne preis. Die schulterfreie, blütenweiße Bluse endet drei Finger unter ihrem vollen Busen. Die Schultern sind dabei ebenso schlank und wohlgeformt wie der flache Bauch, in dessen Nabel ein kleiner Edelstein steckt. Der knöchellange, nachtblaue Rock sitzt tief auf überaus weiblich-sinnlichen, doch keinesfalls breiten Hüften, und bei jedem Schritt blitzen für einen kurzen Augenblick lange, schlanke Beine durch fast zu den Hüften reichenden seitlichen Schlitzen, die nebenbei zwei zierliche Füße offenbaren, die in fein gearbeiteten Sandalen stecken. Kurzum, hätte jemand behauptet, die Frau wäre die schönste Frau der Röhre, jeder vernünftige Mann wäre sich sicher gewesen, dass er unter Umständen lange hätte suchen müssen, um ihn einwandfrei zu widerlegen.

Die Frau geht also fast tänzelnd hinter die Theke, die Hüften bewegen sich dabei bei jedem Schritt etwas hin und her, die Füße beschreiben beim Gehen beinahe eine gerade Linie. Hinter der Theke angekommen, schaut sie Keresin gerade in die Augen.

„Sichàra,“ sagt sie dann. „Mein Name ist Ninim. Was kann ich für Euch tun?“

Natürlich ist Keresin überrascht, denn er hat mit dem stoppelbärtigen, dickbäuchigen Wirten gerechnet, nicht mit einer brünetten Schönheit. Für einen Moment starrt er Ninim an wie eine Erscheinung, dann überwindet er seine Überraschung. Da seine Augen im Gegensatz zu seinen Rippen durchaus in Ordnung sind, nimmt er die umwerfende Erscheinung Ninims selbstverständlich wahr, aber er ist absolut nicht in der Stimmung sich an weiblicher Schönheit zu begeistern auch wenn Ninim wie eine persönliche Botin Jolanas aussieht und wirkt. Er erwidert den Gruß der Schönheit wieder in neutraler Form, obwohl sein Akzent schon beim zweiten Wort seine Herkunft verrrät: "Seid gegrüßt! Mein Name ist Keresin." Als er sich dabei ertappt das sich sein Blick in ihren Ausschnitt verirrt, richtet er seine Augen wieder auf Ninims Gesicht. "Ich bin erst gestern Morgen hier aufgewacht und besitze nichts außer das was ich am Leibe trage. Stanchek war so freundlich mir gestern Abend zu versichern, daß ich anschreiben lassen könnte oder die Zeche abarbeiten, wenn ich etwas brauchen sollte. Um es kurz zu machen, ich hätte gern eine Krug des Schnapses den Stanchek brennt und etwas Brot und Käse. Ich bin gerne bereit, dafür zu arbeiten, aber nicht heute. Ab morgen stehe ich jederzeit zur Verfügung. Ließe sich das machen?" Keresins Blick hat sich in den grauen Augen gefangen, die etwas dünkler sind als die Seinen. Trotzdem ist ihm im Moment weit mehr an der Flasche gelegen, als an Ninims bezaubernder Gegenwart.

Ninim nickt.
"Ja, das handhaben wir meistens so," antwortet sie mit kühler, leicht hauchiger Stimme. "Es gibt hier immer was zu tun. Wenn Ihr fischen könnt, bringt Fische, wenn Ihr jagen könnt, bringt Wildbret. Feuerholz wäre zu machen, und der Tisch da drüben ordentlich zu schrubben. Keine Ahnung, wer mir den versaut hat. Schaut so aus, als hätte sich jemand dazu entschlossen, ihn mir einzubluten. Auf dem Dach wären einige Schindeln auszutauschen, ein Topf zu flicken und so weiter und so fort. Macht Euch darüber keine Gedanken, Ihr werdet Gelegenheit zur Zahlung erhalten. Sucht Euch einen Platz, ich bin gleich bei Euch. Wobei die meisten eh am Thresen Platz nehmen, wenn ich da bin."

Sie sieht ihn kühl-verführerisch, und doch etwas distanziert an, weit entfernt von dem Brachial-Lasziven einer Ira Verra oder dem Herzlichen einer Sundara Jahasi, irgendwie geheimnisvoll, irgendwie doch überaus faszinierend. Dann dreht sie sich um, nimmt einen Tonkrug, geht zu einem Fass hinter der Theke und füllt ihn mit einer glasklaren Flüssigkeit, wie Wasser anmutend und doch vom Geruch her eindeutig als Keresins Bestellung zu identifizieren. Sie stellt ihn vor Keresin auf den Thresen. Dann macht sie sich auf und verschwindet wieder durch die Tür, durch die sie eben den Raum betreten hat. Es dauert gar nicht lange, und sie kehrt zurück. Kurz sieht sie sich um, um eben Keresin zu erblicken, kommt dann zu ihm hin und stellt ihm eine hölzerne Schüssel voll Brot hin sowie ein einfaches Schneidbrett, in dem ein etwa 15 Clat langes Messer steckt, neben einem ordentlichen Stück Käse. Kurz legt sie ihre Hand auf seine Schulter, ihr Mund nähert sich seinem Ohr, einen Augenblick lang, in dem sie ihm ein leises "Haut Euch weg!" zuraunt. Im Weggehen schenkt sie ihm noch ein neckisches Lächeln, bevor sie sich wieder hinter die Theke begibt und dort beginnt, Gläser, Teller und Krüge zu polieren.

"Habt Dank.": antwortet Keresin höflich. Unter anderen Umständen hätte Keresin nicht gezögert sich an die Theke zu setzen um mit der brünetten Schönen zu plaudern, doch es ist ihm weder nach Gesellschaft noch nach Geplauder oder gar Süßholz raspeln. Er wartet bis ihm Ninim den gefüllten Krug hinstellt, greift sich einen Becher dazu, dann sucht er sich einen Tisch in der hinteren Ecke der Schankstube aus, an dem er sich niederläßt. Er bedankt sich als Ninim ihm das Essen bringt und lächelt ein wenig, als sie ihm ins Ohr raunt. "So etwas in der Art habe ich vor." Für einen Moment ertappt er sich wieder Ninim nachzusehen, wie sie mit leichtem Hüftschwung eher durch den Gastraum schwebt als geht. Schließlich schneidet er sich ein Stück Käse ab und ißt es mit einem Stück Brot. Er ist nicht hungrig er tut es mehr seinem Magen zuliebe. Dann schiebt er Käse und Brot zur Seite und schenkt sich den Becher mit dem klaren Schnaps voll. Er nimmt zuerst nur einen kleinen Schluck nachdem er anerkennend nickt. Der Schnaps ist aromatisch und mild, so mild daß man ein Wasserglas davon auf einen Zug leeren könnte. Aber Keresin trinkt nicht schnell. Langsam und methodisch leert er seinen Becher um ihn wieder aufzufüllen und von vorne zu beginnen. Behutsam glättet der Schnaps die Kanten der Realität und auch der Schmerz in seiner Seite läßt merklich nach und er läßt seine Gedanken schweifen, drängt sie nur dann in eine andere Richtung wenn sie um seinen Aufenthalt in Esticha und den unbegreiflichen Irrsinn seiner Anwesenheit in dieser Ruinenstadt und Ira kreisen. Die Zeit verliert vollends an Bedeutung und wieder füllt er sich den Becher und jetzt beginnt er den Schnaps zu spüren, treibt zurück in seiner Erinnerung in ein Vorovis, das es nicht mehr gibt und als sich das Bild seiner Tochter vor sein inneres Auge schiebt, füllen sich seine Augen mit Tränen, die ihm ein wenig später still über die Wangen rollen.

Immer wieder gleitet der Blick der schönen Schankmagd zu dem Vorovisen - ist er doch der einzige Gast in der Gaststube. Keresin macht nicht den Eindruck, als würde er dies überhaupt bemerken. Die Art, in der sie ihn anschaut, ist auch keine besonders bemerkenswerte, eben so wie Schankmägde ihre Kunden immer wieder mal mustern, um zu sehen, ob sie denn noch etwas benötigen würden. Erst als ihm schließlich gar Tränen über die Wangen rollen, legt sich ein Hauch eines Lächelns auf ihre Lippen. Ninim ist schon lange darüber hinaus, Mitleid zu spüren, nur weil ein Trunkenbold von irgendwelcher Sentimentalität übermannt wird. Nebenbei ist der stille Trinker nicht der unangenehmste Gast. Pflegeleicht und unaufdringlich. Viel besser als die, deren Finger vom Geist des Alkohols unbedingt an die Bedienung gelenkt werden, jedes Mal, wenn diese denn in Griffweite kommt. Und so ist es eine ganze Weile totenstill in dem Gastlokal, unterbrochen höchstens vom leisen Klirren der Gläser, die Ninim reinigt, sowie von dem leichten Klopfen, wenn Keresins Becher oder der Krug den Tisch berührt. Schließlich nimmt Ninim einen zweiten Krug, füllt ihn mit Wasser, schnappt sich noch einen Becher und stellt beides leise auf Keresins Tisch.

"Wegen der Kopfschmerzen morgen früh," meint sie nur lapidar und kehrt dann, sollte Keresin sie erwartungsgemäß nicht aufhalten, wieder hinter die Theke zurück

Es dauert einen Augenblick bis Keresin wieder in der Gegenwart angelangt ist. Ninim hat sich schon abgwendet als er den Krug Wasser bemerkt aber auch seine Tränen. „Habt dank.“: sagt er der Schankmaid hinter her als er sich die Tränen aus dem Gesicht wischt. Er füllt sich einen Becher mit Wasser und leert ihn in einem Zug. Er schämt sich nicht geweint zu haben. Er hatte schon härte Männer als er selbst weinen gesehen, aber er schämt sich das er sich in seinem beginnenden Rausch so weit gehen ließ, daß er vor einer Fremden die Fassung verloren hat. Er läßt noch einen Becher Wasser folgen, bevor er prüfend in den Schnapskrug sieht. Seine Handbewegungen sind noch halbwegs sicher, aber er legt schon die übertriebene Aufmerksamkeit der noch nicht ganz Betrunkenen an den Tag, die ihre beginnende Trunkenheit zu verbergen suchen. Zwei Drittel des Schnapses hat er schon in sich, stellt er fest. Eigentlich will er nicht gehen. Es ist kühl hier und ruhig, aber er will nicht nochmals die schöne Fremde beschämen, in dem er in seinem Rausch wieder die Fassung verliert. Schon gar nicht nach ihrer freundlichen Geste. So konzentriert sich Keresin einen Atemzug lang und steht auf. Er packt etwas Brot und Käse in seine Tasche, hängt sie sich über die Schulter und greift nach dem Schnapskrug. Er geht etwas steif aber ohne zu schwanken hinüber an die Theke, an der Ninim immer noch Gläser putzt. Seine Stimme ist schon etwas heiser und seine harte Aussprache klingt nicht mehr ganz so hart als er sich an Ninim wendet: „Entschuldigt bitte, ich wollte euch nicht beleidigen. Es war unhöflich von mir so die Fassung zu verlieren.“ Keresin stellt den Krug auf die Theke. „Ich werde gehen, aber ich möchte gern den Rest des Schnapses mitnehmen. Könnt ihr mir eine leere Flasche bis morgen borgen?“: erkundigt er sich höflich aber schon mit einem Anflug schnapsschwerer Zunge.

Ninim hat inzwischen wieder begonnen, sich um die Gläser zu kümmern. Ihr Gesicht ist dabei praktisch ausdruckslos, wenigstens ist kein Anzeichen der Missbilligung des Verhaltens des einzigen Gastes zu erkennen. Auch als dieser schließlich an die Theke kommt, verändert sich ihr Gesichtsausdruck kaum. Es ist immer noch diese zwar nicht unfreundliche, aber doch etwas distanzierte Kühle, begleitet von einem leicht verführerischen Spiel mit den Augenbrauen. Sie stellt die Gläser nicht beiseite, als sie schließlich antwortet.

"Schätzchen," sagt sie also, "der Silberkrug ist eine Schenke. Der Silberkrug ist kein Schnapsladen, und der Silberkrug ist schon gar kein Flaschenverleih. Entweder Ihr trinkt also Euren Schnaps hier, oder Ihr trinkt Euren Schnaps nicht. Mir ist es egal. Aber eines könnt Ihr mir glauben, ich habe hier schon so viel gesehen, Ihr könnt Euren Gedanken nachhängen so lange, so viel und wie Ihr wollt. Der Schnaps öffnet die Seele, und macht die größten Helden der Röhre zu Feinfühligen. Wenn Ihr also glaubt, Ihr verliert bei mir Euer Gesicht, so kann ich Euch versichern, dass es nicht so ist. Und... was im Silberkrug passiert, das bleibt im Silberkrug. Ihr braucht nicht Angst zu haben, dass ein Wort über meine Lippen kommt. Ich bin keine Tratschtante."

Sie schiebt ihm den Krug etwas entgegen, greift sich dann das nächste Glas und poliert auch dieses.

"Also, nehmt Euren Krug und leert ihn hier, entweder an der Theke, an einem Tisch, wie Ihr wollt. Und morgen kommt Ihr, und wir werden sehen, wie Ihr den Krug abarbeiten könnt. Was heute geschehen ist, wird morgen vergessen sein."

Es braucht etwas länger als sonst bis Keresin die Situation ganz erfaßt. Zum Einen hat er nicht die geringste Lust einer Ketzerin die Grundzüge vorovisianischer Etikette zu erläutern und zum Zweiten macht ihm der Alkohol schon zu sehr schaffen um sich auf eine lange Diskussion einzulassen. So zuckt er gleichmütig die Achseln, als Ninim seine Bitte zurückweist. „Ich werde morgen hier sein. Danke und gehabt euch wohl.“: antwortet er mit leichtem Zungenschlag. Den Krug läßt er auf der Theke stehen und bemüht sich den Silberkrug in gerader Linie und ohne zu schwanken zu verlassen.

--->Straßen der Stadt

"Wie Ihr wollt," antwortet Ninim knapp. Kaum ist anzunehmen, dass sie die Grundzüge der vorovisianischen Etikette irgendwie interessieren würden, ist sie doch mit dem Wissen um die Grundzüge des täglichen Lebens auf der Insel vollkommen für sämtliche Gelegenheiten darauf gewappnet. Und so wird Ninim Keresin nach ihrem ersten Zusammentreffen wohl als, gelinde gesagt, etwas steif in Erinnerung behalten, nicht mehr, und nicht weniger. Der kühle und wenig empatische Gesichtsausdruck lässt jedoch darauf schließen, dass sie sich reichlich wenig daraus zu machen scheint, ob Keresin nun mehr oder weniger irgendwelchen Gepflogenheiten irgendwelcher Städte in irgendwelchen Lädern nachhängt.

"Sinuva!" ruft sie ihm dann noch hinterher, betrachtet noch einen Augenblick lang die fast gerade Linie, die Keresin von der Theke zu der Tür hinlegt. Dann legt sie Glas und Lappen zur Seite und verlässt ebenfalls die Schankstube, durch genau die Tür, durch die sie nach dem Erscheinen des einsamen Trinkers diesselbe betreten hat.