Forum Übersicht - RE: 3.Tag/Bei Misaki - 2

Misaki beugt sich vor und greift über den Tisch hinweg nach Iras Hand. Für einen Moment berühren ihre Fingerspitzen Ira. „Es liegt nicht an dir Ira. Probleme habe ich schon seit langer Zeit, du bist nur ein willkommener Anlaß um es mich wieder einmal deutlich spüren zu lassen. Bitte mach dir keine Vorwürfe, sie sind gänzlich grundlos.“ Sie löst die sanfte Berührung. „Auf keinen Fall lasse ich dich jetzt gehen. Glaube nicht das du schon gesund bist, nur weil du im Moment keine Schmerzen hast. Du brauchst die heutige Behandlung.“ Zum ersten Mal seit ihrer Rückkehr lächelt Misaki ein wenig. „Du darfst zu mir kommen, wann immer du willst, Ira. Meine Türe ist für dich stets offen. Das lasse ich mir nicht verbieten.“ Für einen langen Moment ruht ihr Blick voll Zuneigung auf Ira. „Du wolltest doch mit mir sprechen, Ira. Was hast du auf dem Herzen?“: erkundigt sich Misaki mit sanfter Stimme.

Ira kann sich gar nicht mehr erinnern, wann sie jemand wie Misaki berührt hat. Ohne Fordern und Gier. Sie glaubt Misaki. Nicht weil sie sich keine Vorwürfe machen muß. Sondern weil sie die Wahrheit in Misakis Worten spürt. Sie akzeptiert auch die Notwendigkeit der Behandlung. „Danke.“: sagt sie bewegt, aber dann senkt sie den Kopf. Sie schämt sich, aber sie antwortet aufrichtig. „Ich..ich wollte euch bitten, mich für ein paar Tage allein zu lassen. Das wollte ich mit euch bereden. Ich weiß nicht wie ich sagen soll. Aber ich hab das Gefühl, daß ihr immer da seid, auch wenn ihr nicht im Haus seid. Ich bin verwirrt. Es gibt so vieles über das ich nachdenken muß. In eurem Schatten ist das schwer. Alles hört sich bei euch so klar und wahr an. Ich brauch ein wenig Abstand. Aber eins müßt ihr mir glauben, Misaki! So wollt ich das nicht! Das hab ich mir nicht gewünscht. Ich weiß wieviel ihr für mich getan habt und immer noch tut. Ich bin wirklich dankbar dafür…..“ Jetzt weiß Ira nicht mehr weiter und schaut auf den Boden.

Ruhig hört ihr Misaki zu und läßt ein wenig Zeit verstreichen, bevor sie Ira antwortet. „Es gibt keinen Grund deshalb verlegen zu sein oder sich gar zu schämen. Ich weiß, daß ich dazu neige hin und wieder über die Stränge zu schlagen und einem die Luft zum Atmen abdrücke mit meiner Intensität. Danke für deine Offenheit und das du mich daran erinnert hast.“ Für einen langen Moment sieht sie Ira an. „Ich spüre es in meinem Herzen, daß du mir nichts Böses willst, Ira. Aber es tut gut es aus deinem Mund zu hören. Auch deine Dankbarkeit, obwohl auch sie nicht angebracht ist. Abgesehen von meinen Verpflichtungen tue ich es gerne.“ Wieder lächelt sie schwach aber diesmal kann Ira die Traurigkeit genau erkennen. „Ich wollte ich könnte mehr tun um dir auf deinem Weg zu helfen, aber es bleibt mir versagt.“ Misakis Haltung strafft sich nach einem Moment. „Aber es hat keinen Sinn seine Gedanken und Gefühle an Unabänderbarkeiten zu verschwenden. Außerdem ist dieser Tag nicht das Ende der Zeit.“ Misaki erhebt sich in einer fließend-eleganten Bewegung. „Entschuldige mich bitte. Ich gehe unser Abendessen vorbereiten. Es wird nicht lange dauern. Du bleibst besser hier. Du hast dein Knie schon im Garten erheblich angestrengt.“ Misaki wendet sich ab und verschwindet im Inneren des Hauses.

Zuerst will Ira widersprechen. Doch dann läßt sie es bleiben. Sie ist froh das Misaki ihr nicht bös ist. Doch je länger sie diese Frau kennt, desto größer wird das Rätsel Misaki. Vor allem was hinter diesem Verbot steckt? Wem ist Misaki Rechenschaft schuldig? Wer hat hier solchen Einfluß daß er dieser ungewöhnlichen Frau Befehle geben kann? Ira weiß das es keinen Sinn hat Misaki diese Fragen zu stellen. So gut kennt sie sie jetzt schon. Sie macht sich auch Gedanken über diese Heilerin. Ist sie es die Misaki die Befehle gibt? Ira beschließt nachzuforschen. Am ehesten kommt noch Stanchek der Wirt in Frage. Über die Stadt und die Bewohner hat er recht offen gesprochen. Vielleicht kann sie ihm was über Misaki und diese Heilerin entlocken. Vorsichtig streckt sie das lädierte Bein aus. Sie spürt kaum etwas. Auch ihre Rippen schmerzen nicht mehr. Est nur manchmal unangenehm wenn sie sich bewegt. Allein das ist schon ein kleines Wunder. Ira ist mehr und mehr überzeugt, daß hier mehr abläuft als man auf den ersten Blick sehen kann. Aber sie wird dahinter kommen! Wenn nicht gleich, dann morgen oder übermorgen. Denn viel Hoffnung das sie hier noch wegkommt hat sie nicht mehr. Misaki war deutlich genug gewesen. Aber ganz schreibt sie diese Möglichkeit nicht ab.

Tock! Tock! Tock! Misaki ist noch nicht lange im Haus verschwunden, da vernimmt sie ganz deutlich dieses dreimalige, kräftige Klopfen. Wenn sie die Tür öffnet, steht die junge Frau vor der Tür, die bereits am Vortrag zu Besuch war. Viel hat sich an ihrer Aufmachung nicht getan. Sie wirkt etwas sauberer als am Vortag, dafür ist eine Schramme an der Stirn neu dazugekommen, die, das wird Misaki als Heilerin gleich erkennen, in keinster Weise besorgniserregend ist. Dafür ist das Hemd noch einmal geschrumpft: Ist sie am Vortag zur Hälfte bauchfrei und nur mit einem Ärmel angekommen, fehlt nun auch die zweite Röhre. Und, wie Misaki eben die Türe öffnet, strahlen ihr sofort zwei freundliche, blau-grüne Augen in bemerkenswerter Weise entgegen, dazu passt ein überaus freundliches Gesicht mit offenem Lächeln. Ja, Misaki müsste komplett dement sein, um in der Frau nicht Sundara Jahasi zu erkennen. Und, wie am Vortag, sagt sie zunächst nichts, überlässt der Älteren den Beginn des Gespräches. Geduldig steht sie da, das Kurzschwert und die Asnivala an der Seite, einen Köcher mit einigen wenigen Pfeilen, dafür mit vielen Stöckchen, ungefähr die Hälfte entrindet, die andere Hälfte noch im "Naturzustand", am Oberschenkel, den Bogen am Rücken. Und, wie am Vortag, hat die ganze Erscheinung trotz der übermäßigen Bewaffnung wenig Martialisches an sich.

Es dauert diesmal etwas länger bis sich die Türe des Hauses öffnet und Misaki erscheint. Obwohl sie eine höfliche Verbeugung andeutet und ihre Selbstbeherrschung exzellent ist, kann Sundara einen Hauch der Trauer und des Ärgers spüren, der sie umgibt. „Seid gegrüßt, Sundara. Ich nehme an ihr wollt Ira besuchen. Bitte, tretet ein.“ Mit einer einladenden Geste tritt Misaki zur Seite und öffnet die Türe ganz. Sie erwähnt Sundaras Stiefel mit keinem Wort aber ein deutlicher Blick darauf gibt ihr zu verstehen, daß man auch heute ihr Haus nicht mit den Straßenschuhen betritt. Wie bei Sundaras letzten Besuch ist Misakis Heim peinlich sauber und einfache Strohsandalen stehen für Gäste bereit. "Ich bin dabei das Essen zuzubereiten. Wenn ihr zum Essen bleiben wollt, seid ihr herzlich willkommen. Bitte sagt mir nur ob ihr bleibt, damit ich auch für euch aufdecken kann. Ira ist auf dem Balkon, ich bringe euch zu ihr.": sagt Misaki und wartet bis sich Sundara die Stiefel ausgezogen hat.

Kaum bemerkt Sundara den leichten Missmut, weicht das überschwänglich Freundliche unvermittelt aus ihrem Gesicht. Ihre Seelenspiegel - und bei wenigen Röhrenbewohnern verdienen die Augen wohl mehr diese Bezeichnung als bei ihr - geben Unsicherheit wider, etwas empathische Traurigkeit ist darin zu verspüren, nur der Ärger, den wird Misaki nicht wiederfinden. Sundara hat wohl auch wenig Grund, verärgert zu sein.

"Sichàra, Ehrenwerte Misaki," grüßt sie also mit leicht bebender, wie immer heiserer Stimme. "Komme ich ungelegen?"

Da ist aber auch schon diese Geste der älteren Frau, die die Frage zur reinsten Makulatur werden lässt. Sie tritt ein, nur um sich sofort auf den Boden zu setzen, um ihre Füße aus den festen Stiefeln zu befreien. Sie steht auf, schaut kurz unsicher auf die Sandalen, ein kurzer, fragender Blick trifft Misaki, dann huschen ihre Füße auch schon in das bereitgestellte Fußkleid. Wieder trifft ein Blick die Heilerin, dieses Mal ganz und gar überrascht und verblüfft. Misaki hat nämlich gerade ihre Einladung zum Essen ausgesprochen, und damit scheint die junge Frau nun überhaupt nicht gerechnet zu haben.

"Äääähm... zum Essen bleiben... ja...." stammelt sie also verlegen los, und es dauert eine ganze Weile, bis aus dieser äußerst primitiven Dialektik ein zusammenhängender Satz wird. "Zum Essen, ja, sehr gerne, wenn es Euch nichts ausmacht. Ich befürchte jedoch, ich werde mich vor Euch komplett blamieren. Meine Tischmanieren sind wohl nicht die besten - ich habe noch nie in so einem vornehmen Haus gegessen."

„Nein, ihr kommt keineswegs ungelegen.“: antwortet Misaki auf Sundaras Frage. Ihre Befürchtungen über ihre Tischmanieren entlocken Misaki ein schwaches, etwas melancholisches Lächeln. „Vornehm? Vielleicht war es dieses Haus einmal. Jetzt ist es nichts weiter als mein bescheidenes Heim. Außerdem ist dieses Essen kein Staatsbanket des Warriagthrones, nur ein einfaches Abendessen, macht euch also bitte keine Gedanken.“ Wieder einmal wird in diesem Nebensatz deutlich, daß Misaki durchaus Bescheid weiß über die Verhältnisse in dem Teil der Röhre aus dem Sundara kommt. „Kommt bitte weiter.“ Misaki führt Sundara auf die Veranda die sie schon kennt. An dem niedrigen Tisch, auf dem Teegeschirr und benutzte Tassen stehen, sitzt Ira auf einem Hocker, neben sich einen Stock. „Ich habe dir deine Freundin gebracht, Ira. Sie wird zum Essen bleiben. Entschuldigt mich jetzt bitte.“ Als Misaki im Haus verschwindet, zieht sie die Schiebetüre zu, damit ihre Gäste ungestört sind.

Misaki mag über vieles Bescheid wissen, aber Sundara ist über die Verhältnisse in der Schwarzen Stadt nur äußerst wenig informiert. Zwar ist es für die Heilerin wohl naheliegend, dass die Freundin einer Vorovisin ebenfalls Vorovisin sein könnte, und doch etwas abwegig, gerade eine Angehörige der elurischen Armee vor sich zu haben, aber Sundara hat mit Vorovis eben genauso viel zu tun wie ein Roputan mit einem Arivara-Tempel. Den Göttern sei Dank ist nun der Ausdruck "Staatsbankett des Warriagthrones" auch dann leicht zu enträtseln, wenn man eben nicht weiß, was genau jetzt der Unterschied zwischen einem Warriagthron und einem Toilettenstuhl ist, und so ist die Unsicherheit, die aus Sundaras Augen spricht nur leicht und von äußerst kurzer Dauer. Unwissenheit wird jedoch oft mit Dummheit gleichgesetzt, und Sundara ist sich durchaus bewußt, nicht gerade ein wandelndes Lexikon zu sein. Zugleich jedoch hat sie wenig Interesse daran, als von übermäßig einfacher Intelligenz wahrgenommen zu werden. Also schweigt sie zu dem ihr unbekannten Ausdruck, setzt ein zaghaftes Lächeln auf und erwidert nur: "Ein vornehmes Haus ist dann vornehm, wenn es die Bewohner sind, nicht wenn es mit allem möglichen Klimbim ausgestattet ist."

Freilich hofft sie dabei, dass eben dieser Warriagthron ein Königsthron in irgendeinem Land sein könnte, und dass dieser Thronsaal eben über eine recht kostbare Einrichtung verfügt. Dann folgt sie schweigend der Imkerin, versucht, mit den Sandalen nicht allzuviel Krach zu machen, wenn auch immer wieder die Sohle recht geräuschvoll gegen ihre Ferse schlägt. Leicht zuckt sie dann jedes Mal zusammen. Aber Sandalen sind eine Fußbekleidung, die sie bisher nur sehr selten getragen hat, und der Gebrauch jedes neuen Gegenstandes mag erst gelernt sein. Schließlich kommt sie jedoch glücklich an der Veranda an, ohne hinzufallen und auch ohne irgendwelche Schäden zu verursachen. Als sie nun Ira erblickt, tritt ein Strahlen in ihre Augen, das seinesgleichen sucht. Und doch sprechen diese strahlenden Augen wenig von großer Selbst-, sondern eher von erheblicher Unsicherheit. Sie schaut also Ira unsicher, doch mit dem ihr eigenen unwiderstehlichen Lächeln an.

"Sichàra, Ira," sagt sie nun mit wiederum leicht bebender Stimme. "Wie geht es dir heute?"

Gedankenverloren starrt Ira in den Garten als die Tür aufgeht. Mit einer kleinen Verspätung dreht sie den Kopf zu Misaki. Als Sundara hinter der älteren Frau auf die Veranda kommt, schaut sie überrascht. Aber sie lächelt. Das verwischt den trübsinnigen Ausdruck auf ihrem Gesicht ein bißchen. Dann wird aus dem Lächeln ein schiefes Ira-Grinsen. „Heil Vorovis, Ketzerin“: sagt sie. Sie grinst noch immer. Auch wie sie es sagt zeigt das sie es nicht ernst meint. Es ist bloß eine kleine Stichelei. Als Misaki die Tür zuzieht, sagt sie: „Schön dich zu sehen, Sundara. Komm setz dich! Es ist noch Tee da. Wenns dir nichts ausmacht das er kalt ist. Mir geht’s gut. Die Heilerin ist eine wahre Zauberin. Schau!“ Sie bewegt vorsichtig ihr lädiertes Knie. „Mit dem Stock kann ich schon ganz gut gehen. War heut Nachmittag im Garten. Kannst dir gar nicht vorstellen, wie gut ein bißchen Bewegung tut. Nach der ganzen Liegerei.“ Ira lügt nicht. Es ist aber auch nicht ganze Wahrheit. Heute ist es noch deutlicher, das etwas anders an ihr ist. Abgesehen von der Nachdenklichkeit. Aber es iht schwer zu sagen was. Dann schaut sie Sundara fragend an. Sie deutet auf die Schramme auf ihrer Stirn. „Und du? Kleine Diskussion gehabt oder hart auf der Schank aufgeschlagen?“

Es ist dummes Gerede, wenn man sagt, man könne hören, wie ein Stein vom Herzen fällt. Im Falle Sundaras kann man es jedoch sehen. Sie richtet sich etwas auf, das Lächeln wird breiter, die Augen sprühen nun vor lauter Strahlkraft. Anscheinend war sich Sundara ob der Reaktion der großgewachsenen Blonden gar nicht so sicher - was in Anbetracht der doch reichlich schiefgelaufenen Diskussion des Vortages auch absolut verständlich ist. Iras Schilderungen zaubern schließlich noch einen Ausdruck großer Freude auf das soundso schon äußerst gutgelaunte Gesicht, und so sieht sie nun fast aus wie ein kleines Kind, dem plötzlich all seine Wünsche in Erfüllung gehen sollen. Sie geht also zu Ira hin und strubbelt ihr mit einer Hand durch das Haar.

"Dann sollte sich diese Insel hier wohl schon mal warm anziehen, denn bald hat sie eine Ira Verra wie sie leibt und lebt zurück," sagt sie dabei. "Das ist wirklich schön zu hören, Ira, das freut mich wirklich, dass es dir besser geht. Und… dass dein bissiger Humor zurück ist, das freut mich noch viel mehr."

Noch während sie den letzten Satz zu Ende spricht, zieht sie einen Stuhl zu sich, will sich schon rittlings daraufsetzen, dann besinnt sie sich, ihr Blick geht etwas verlegen zu Misaki, oder eben der Stelle, an der Misaki eben noch gestanden hat. Dann schiebt sie den Stuhl wieder zum Tisch und setzt sich dann ordentlich darauf. Die Asnivala verkeilt sich nicht am Boden, die Sandalen machen nun, da sie sitzt, keine eigenartigen Geräusche mehr. Sie fährt mit der Hand zu der Schramme an ihrer Stirn, unter der sich inzwischen eine kleine Beule gebildet hat und die sich nun auch nach und nach bläulich verfärbt.

"Ach das," antwortet sie dann auf Iras Frage, "das ist nichts. Das passiert, wenn man ohne Böses zu wollen über einen Bretterboden geht, und der keine Lust hat, dich zu tragen. Wenn dann unten ein guter Vat tief Wasser steht, darunter aber ein ziemlich harter Steinboden, dann bekommt man diese Andenken ganz kostenlos. Ich sag dir, so ganz dumm ist es nicht, wenn einem hier alle auftragen, man solle nicht unbedingt alleine durch die Häuser ziehen. Wäre Bokh nicht dabeigewesen, am Ende wäre ich glatt noch abgesoffen, und ich sag dir, wenn mir ein Sragon die Rübe einschlägt, dann soll es halt so sein, aber so mir nichts dir nichts absaufen, nein, das hätte mir schon gar nicht in den Kram gepasst."

Ihr Blick geht nun kurz zu der Kanne, dann wieder zurück zu Ira. "Gerne nehme ich eine Tasse Tee. Und glaube mir, es ist wirklich egal, ob er kalt ist oder nicht. Es wäre auch egal, wenn es auch nur abgestandenes Wasser wäre. Ich bin da nicht so wählerisch. Du wirst es nicht glauben, aber ich habe drüben nicht von goldenen Tellern gegessen."

Nun hat Sundara eine ganze Weile lang geredet, ja, die Wörter sind geradezu aus ihr herausgesprudelt. Nun schweigt sie und schaut Ira an. Und unvermittelt weicht das fast schon übertrieben Fröhliche aus ihrem Gesicht. Ihr Ausdruck spiegelt nun plötzlich bis zu einem bestimmten Punkt den ihres Gegenübers wieder, noch immer erscheint sie überaus gut gelaunt, doch ist da etwas Fragendes, Nachdenkliches darin. Sie sagt nichts dazu, das braucht sie auch nicht, denn wieder einmal sind es ihre Augen, die Ira mitteilen, dass sie bereit ist, über alles zu reden, wenn Ira denn will.

„Naja das wird noch ein bißchen dauern, bis ich wieder kann wie ich will.“: antwortet Ira. „Wer ist hier bissig?“: schnappt sie und grinst dabei. Sie hört bei Sundaras Geschichte zu. „Bokh? Ist das der abgeschleckte blonde Elurier? Du treibst dicht mit Leuten herum.“ Ira schüttelt den Kopf. „War wahrscheinlich das erste Mal, daß der zu was gut war.“: kommentiert sie jetzt wirklich bissig. Ob es was Persönliches ist oder ob sie den Mann nicht mag weil er Elurier ist bleibt offen. Das sie ihn nicht mag kann man ihr aber an der Nasenspitze ablesen. „Hauptsache du bist da wieder raus gekommen.“ Sie beugt sich vorsichtig vor und schenkt Sundara Tee ein. „Keine goldenen Teller? So ein Skandal!“: stichelt sie wieder einmal grinsend. Aber als Sundara still wird bleibt sie es auch. Sie schaut in den Garten hinaus und kaut dabei auf ihrer Unterlippe. Dann schaut sie wieder zu Sundara. Es dauert noch ein bißchen bis zu plöttzlich frägt: „Was glaubst du was oder wer Misaki ist?“ Diese Frage scheint sie ehrlich zu beschäftigen.

Sundara schaut Ira an. Ihre Schneidezähne vergraben sich in ihrer Unterlippe. Sie sitzt ruhig da, schaut einfach nur. Dann schweift ihr Blick ab, geht zu der Tür, die von der Veranda in das Haus führt, und durch die Misaki vorhin verschwunden ist. Dann steht Sundara halb auf, zieht ihren Stuhl näher zu Ira hin. Wieder geht ihr Blick zu der Tür, dann widmet sie sich wieder Ira.

"Ich habe keine Ahnung, um ehrlich zu sein," antwortet sie dann mit leiser Stimme, immer wieder zur Tür blickend, ob nicht doch urplötzlich die Gastgeberin darin stehen und die beiden dabei ertappen könnte, hinter ihrem Rücken über sie zu reden. "Eines ist einmal sicher. Sie ist keine alte Imkerin, die einfach nur Lust und Liebe hat, zerdepperte Vorovisen wieder zusammenzuflicken. Ich meine, bei der ist ja jedes Wort, jede Bewegung gewählt und nobel, die könnte gut und gerne eine Mehdori sein."

Sie macht nun eine kurze Pause, ihr Blick geht wieder zur Tür, bevor er wieder in den der blonden Patientin zurückkehrt, intensiv wie immer, tief eingegraben in Iras Seelenspiegeln.

"Ich weiß nicht, ob du es schon weißt, aber nachdem Keresin dich zusammengeschlagen hat, habe ich dich in den Silberkrug getragen. Da ist dann urplötzlich eine Chirà aufgetaucht, und der gegenüber ist Stanchek ganz kleinlaut geworden. Wenn du mich fragst, war das schon so eine Art Heilerin, aber ich hatte ganz stark den Eindruck, sie wäre so etwas wie eine Regentin auf dieser Insel, Königin, Kanzlerin, was weiß ich. Sie hat Stanchek befohlen, dich hier her zu bringen. Also, sie hat ihn nicht gebeten, sie hat es ihm ganz einfach befohlen. Und Misaki scheint es schon auch ganz schön gewohnt zu sein, dass man ihr Respekt entgegenbringt. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sie die Stellvertreterin, Statthalterin, Ministerin, keine Ahnung was, sein könnte. Also, ich glaube, wenn du jemanden auf Yoroms Eisfelder verfrachten willst, solltest du dich wohl eher an elurische Ketzerinnen halten, als an sie, wenn du hier danach noch friedlich weiterleben willst."

Freilich hat sich während des letzten Satzes ein schiefes Lächeln auf Sundaras Lippen gelegt, und doch meint Sundara wohl jedes gesagte Wort genauso, wie sie es gesagt hat.

Entschieden schüttelt Ira den Kopf. „Nein, eine alte Imkerin ist sie sicher nicht auch wenn sie Bienen hat. Zumindest hat sie mir das gesagt und ich glaubs ihr.“ Jetzt schaut auch Ira über die Schulter kurz zur Tür. Dann schaut sie zu Sundara und hört ihr gespannt zu. „Was???“: platzt sie heraus. „Bei Lijans stinkenden Titten! Eine dreckige Katze? Das darf doch nicht wahr sein.“ Erschüttert glotzt sie Sundara an. Es dauert eine Weile bis sie das verdaut. „Verdammte Scheiße!. Aber warte….“: unterbricht sie sich. „Ja, jetzt fällts mir wieder ein. Ich war ja weggetreten, als ich hergebracht wurde. Ich hab geglaubt ich habs nur geträumt. Aber jetzt wo du es sagst. Ja, verschwommen erinnere ich mich an Stimmen und ein Katzengesicht. Das Vieh muß da gewesen sein.“ Wieder schüttelt sie den Kopf. „Verdammt, was für eine Scheiße!“ Dann reißt sie sich zusammen. „Misaki was antun? Niemals!“: sagt sie empört. „Sie ist was ganz Besonderes. Sie kennt die Katze. Sie hat mit mir aber nur von einer Heilerin geredet. Du bist auf dem Holzweg, Sundara. Heute war Misaki bei ihren Bienen. Sie ist ewig lang weggeblieben. Als sie für vielleicht einer Jhane zurück gekommen ist, war stinksauer. Wir haben geredet und sie hat mir erzählt, daß die Heilerin auf sie gewartet hat. Das muß die Katze gewesen sein. Aber jetzt kommts. Sie hat ihr verboten mich auszubilden. Ich muß morgen hier weg. Sie hat gesagt, daß ihr nichts anderes über bleibt als zu gehorchen. Auch das ich nicht fragen soll, weil sie mir keine Antwort geben darf. Irgendwie hängen die beiden schon zusammen, aber gemeinsame Sache machen die nicht. Sie hat mir noch erzählt, daß sie schon lange Probleme mit denen hat. Welche weiß ich nicht. Da schweigt sie eisern. Sie ist keine Heilerin sagt sie. Das glaub ich ihr. Hast du ihr zugesehen wenn sie sich bewegt? Diese unheimliche Körperbeherrschung! So bewegen sich keine Heiler und Stubenhocker. Ich fress deine Stiefel zum Frühstück wenn sie nicht eine ausgebildete Kriegerin ist. Und nicht nur das.“

Sundara schmunzelt zunächst.

„Ihr Vorovisen mit Eurer Chiraphobie,“ meint sie. „Im Endeffekt ist es völlig einerlei, ob das jetzt eine Chirà, ein Sragon, ein Unu oder ein Mensch ist. Die kriegen wir eh nicht zu fassen.“

Dann wird sie wieder ernst. Ihr Blick geht ebenfalls wieder zur Tür. Aber Misaki lässt sich noch immer nicht blicken, also spricht Sundara ruhig wieder weiter.

„Dass sie gemeinsame Sache machen, das habe ich auch nicht gesagt,“ antwortet sie nun. „Aber ich kann mir nicht helfen: Für mich hat Misaki einfach mehr das Sagen hier als zum Beispiel Stanchek oder Shasla. Und du hast schon recht, sie ist sehr präzise in ihren Bewegungen. Aber trotzdem - wie eine Kriegerin wirkt sie nicht so richtig. Wenigstens nicht wie eine normale Kriegerin, so wie du und ich. Da ist schon mehr dahinter. Schon nur wie sie redet. Da passt jedes Wort, da ist sie mindestens so präzise wie in ihren Bewegungen. Und... die weiß irgendwie mehr über die Röhre außerhalb dieser Insel, als alle anderen hier zusammen. Die kennt die ganzen Reiche. Gut, vorher hat sie irgendwas über einen Warriagthron gefaselt, keine Ahnung, was das jetzt schon wieder sein soll. Aber irgendwo muss da eine Verbindung nach außen da sein. Ich meine, Stanchek wusste nicht einmal, was rund um die Stadt herum los ist. Und Shasla, die fragt man besser gar nicht danach. Entweder sind alle anderen einfach saudumm, und sie ist die einzige, die klug ist - und, bei Lijan, die ist tausendmal klüger als ich - oder aber sie hat eine Stellung, wo sie an Informationen kommt, die die anderen nicht haben. Glaube mir, hätten die dich zu mir gebracht, und irgendeine Chirà würde mir diktieren, wie ich dich behandeln soll, das würde ganz und gar anders aussehen.“

Sie schaut nun Ira einfach nur an, ein offener, ehrlicher Blick, etwas fragend freilich. Schließlich fügt sie nun hinzu: „Ist freilich alles nur Vermutung...“