Forum Übersicht - Schenke zum Silberkrug » Flucht in den Schatten

Die Hitze trifft ihn wie ein Schlag mit einem Knüppel und schon nach wenigen Schritten sind die bohrenden Schmerzen hinter der Stirn wieder da. Die Frau mit der Peitsche und die arbeitenden Servs kümmern in daher recht wenig, als er auf den Platz hinaus geht. Er konzentriert sich darauf einen Fuß vor den Anderen zu setzen und seine Gedanken im Zaume zu halten um sie nicht wieder in die chaotische Gedankenspirale geraten zu lassen. Er kommt nicht sehr weit bis sein Schritt wieder unsicher wird. Er muß in die Schatten, irgendwo an einen kühlen Ort, bevor es ihm wieder den Boden unter den Füßen verliert. Er ist schon im Begriff umzudrehen, aber er will nicht mit seinen Gedanken allein in dem stillen Haus sein, aus dem er gekommen ist. So lenkt er seinen Schritt Richtung Silberkrug. Schon unter dem Vordach wird ihm ein wenig besser und als er den kühlen Schankraum betritt, wird der Schwindel erträglicher. An einem der hinteren Tische läßt er sich auf einen Stuhl fallen, schließt die Augen halb und lehnt sich zurück. Langsam berühigt sich der Boden unter seinen Füßen.

Er wird die Bedienung wohl zuerst mit den Ohren wahrnehmen.

"Ich weiß ja nicht, wie ihr das in Virivos haltet, aber hierzulande grüßt man eine Dame, wenn man einen Raum betritt," hört er die bekannte Stimme, die mit ziemlich spöttischem Unterton zu ihm spricht. Und als sein Blick etwas klarer wird, sieht er auch schon Ninim, schön wie eh und je, hinter dem Thresen Gläser polieren. Ihre großen Augen sehen ihn halb belustigt, halb verführerisch an, während ihre Lippen ein ziemlich ironisches Lächeln umspielt. Sie stellt das Glas auf das Bord über der Theke, so dass der Edelstein in ihrem Bauchnabel aufblitzt. Wohl wird sie sich etwas mehr strecken als unbedingt notwendig, vielleicht ist es auch beabsichtigt, dass die Theke dabei ihren Rock etwa einen Fingerbreit nach unten zieht. Nun dauert freilich der ganze Vorgang nur einen Augenblick lang, dann steht sie auch wieder normal hinter dem Thresen, richtet den Rock und schaut noch immer zu Keresin herüber.

"Was kann ich dir bringen, mein Hübscher?" fragt sie ihn dann - und es ist anzunehmen, dass diese Frage wohl ernstgemeint ist.

Erschrocken reißt Keresin die Augen auf als er Ninims Stimme hört. Er war so mit sich beschäftigt gewesen, daß er sie überhaupt nicht bemerkt hatte. Sein sonst so beherrschtes Gesicht ist in diesen Augenblicken fast ein offenes Buch dessen Seiten schnell umgeblättert werden. Zuerst ist es noch der gehetzte Blick eines zu tiefst erschüttertend Mannes, dann Überraschung und wohl auch ein wenig Ärger so abwesend gewesen zu sein, gefolgt von unverhüllter Bewunderung und Zuneigung, schließlich der weitgehend mißglückte Versuch sich irgendwie wieder unter Kontrolle zu bringen. Es kann Ninim kaum verborgen bleiben, wie sie auf den Vorovisianer wirkt und das es mehr ist als die übliche Schwärmerei für eine hübsche Schankmagd war ihm für einige Augenblicke ins Gesicht geschrieben gewesen. „Entschuldige, ich..ich...habe mich nicht ganz wohl gefühlt...die Hitze..“: stottert Keresin verlegen herum, fängt sich aber langsam wieder. „Es gehört auch bei uns zur üblichen Höflichkeit, zu grüßen wenn man den Raum betritt. Es hat sich alles um mich herum gedreht und ich war nur darauf aus mich irgendwo hinzusetzen. Entschuldige meine Unhöflichkeit.“: sagt er jetzt schon wieder etwas gefaßter. Allein beim Gedanken an Alkohol zieht sich ihm der Magen zusammen. „Irgendetwas Kühles, kalter Tee wäre gut.“: sagt er und zum ersten Mal an diesem Tag zeigt sich der Anflug eines Lächelns auf seinem Gesicht.

Ein Schmunzeln legt sich auf Ninim Lippen, bevor sie zu einem großen Krug greift. Sie zieht in zu sich heran, nimmt dann ein Glas von dem Bord, auf das sie vorhin eben diese Gläser gestellt hat. Sie muss den Krug mit beiden Händen greifen, und für einen Augenblick weicht der elegante, kühle Ausdruck in ihrem Gesicht dem von körperlicher Anstrengung. Aber sie schafft es, das Glas zu befüllen, ohne irgendwie daneben zu kleckern. Dann nimmt sie das Glas und bringt es behenden Schrittes zu Keresin - nicht ohne freilich ihre langen, schlanken Beine durch die Schlitze im Rock zu präsentieren. Sie stellt sich hinter Keresin, legt ihre linke Hand auf seine linke Schulter und stellt mit der rechten das Glas vor ihn auf den Tisch. Dabei nähert sich frelich ihr Gesicht seinem Ohr, und dieser scheinbar zufällige Vorgang wird von ihr auch gleich genutzt.

"Wohl bekommt's," sagt sie ihm leise ins Ohr. "Aber... wo gibt es so herrliches Bier, dass du dich so ganz ohne die kleine Ninim dermaßen betrinkst?"

Sie wartet nicht auf eine Antwort. Kaum steht das Glas auf dem Tisch, gleitet die Hand von seiner Schulter über seinen Nacken zur anderen Schulter, verlässt seinen Körper ganz, und schon ist Ninim wieder auf dem Weg zu der Theke, geht hinter diesselbe, stützt sich mit den Ellbogen darauf auf und schaut mit ihren großen, grauen und einem neckischen Lächeln auf den Lippen an.

Er kann seinen Blick nicht von der anmutigen Gestalt Ninims lösen und ihre Nähe schlägt Keresin wieder in ihren Bann. Hilflos, ausgeliefert und doch voll von euphorischer Hochstimmung, Sehnsucht, Zuneigung und Verlangen. Er versucht nicht einmal es noch zu verbergen, doch sein leise Auflachen bei ihrer Bemerkung hat nichts Heiteres an sich. „Ich glaube das ist das erste Mal in meinem Leben, daß ich wollte es wäre ein verdammter Kater von zuviel Bier.“: sagt er mit einem Kratzen in der Stimme erst als Ninim wieder an der Theke angelangt ist. „Danke.“: setzt er noch ein wenig verspätet hinzu, bevor er einen kräftigen Schluck von dem kühlen Tee macht. Schon im Begriff den Becher wieder auf den Tisch zu stellen, überlegt er es sich anders und leert ihn auf einen Zug. Das kühle Getränk tut ihm gut und er fühlt sich besser. Er steht auf und geht mit vorsichtigen Schritten hinüber zur Theke und damit Ninim. Den Becher stellt er auf die Schank. „Sei so gut und gib mir bitte noch einen.“: sagt er und setzt sich auf einen freien Hocker. Immer noch flackert etwas in seinen Augen, daß nichts mit Ninims Nähe zu tun. Ohne wirklich interessiert zu sein eher aus dem Bedürfnis heraus irgendetwas Unverfängliches zu sagen, frägt er mit einer Handbewegung in Richtung des Platzes. „Was ist denn da draußen los und kennst du diese Viper in menschlicher Form mit der Peitsche?“

Ninim schaut Keresin belustigt an, und es hat allen Anschein als würde sie seinem Gefasel von dem wahren Grund seines Unwohlseins sehr wenig Glauben schenken. Sie scheint sich über die vermeintliche Lüge jedoch keineswegs aufzuregen. Erst als er sich erhebt und in Richtung der Theke tappt, nimmt ihr Blick wieder etwas Verführerisches ein.

"Aber für dich doch immer," antwortet sie auf seine Bestellung, dreht sich um und holt den Krug. Freilich ist er nun etwas leichter als vorhin, trotzdem muss sie ihn immer noch mit beiden Händen greifen, und als sie ihn schließlich zu seinem Becher hochhebt, zaubert sich auf ihre Wangen die Röte der Anstrengung. Mit einem Rumms stellt sie den Krug schließlich auf den Thresen. Sie kann einfach nicht anders, denn Keresins letzte Frage entlockt ihr zuerst ein herzhaftes Lachen, hell, klar und vergnügt. Schließlich streicht sie mit dem rechten Handrücken eine Träne aus ihrem Auge, zieht dann den Krug beiseite und stützt sich mit den Ellbogen auf die Theke, genau vor Keresin, der so natürlich zum einen ganz zufällig einen herrlichen Einblick in ihren Ausschnitt erhält, zum anderen durch die vorgebeugte Haltung der Schankmagd so nahe ist, dass er den zarten Blütenduft vernehmen kann, der ihrem Hals entfleucht.

"Viper mit der Peitsche," wiederholt sie und lacht noch einmal kurz auf. "Ja, die Beschreibung passt absolut. Du musst wohl von Nirisa reden, die oberste Aufseherin über die Bediensteten an Roalds Hof. Naja, über die gibt es eigentlich nicht viel zu sagen, außer dass du ihr besser nicht zu nahe kommst. Roalds Jagdechsen sind Kuscheltiere im Vergleich zu Nirisa, und ich sage dir, die Peitsche, die sie bei sich trägt, ist alles andere als bloße Zierde. Also, wenn du Nirisa siehst, am besten so tun, als wäre sie nicht da, Platz machen für alles, was sie tun will, dann bleiben die Ohren heil. Was genau die jetzt machen, das weiß ich nicht, es kommt aber schon öfter vor, dass Roald irgendeine Arbeit in der Stadt zu verrichten hat. Weißt du, Roald hat es nicht so mit Auskünften, ebensowenig seine Leute, und Nirisa, tja, da ist alles gesagt."

Einen Augenblick bleibt sie noch vor Keresin stehen, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, dann richtet sie sich wieder auf.

"Magst auch was zum Essen?"