Forum Übersicht - RE: In den Morgenstunden - 5

„Na versaut ist sie ja noch nicht lange, das meiste ist oberflächlich.“ ohne ihrerseits den Kopf zu heben, fährt Lenari vorsichtig mit der flachen Hand über die Tischplatte. „Die Platte scheint gut gebeizt zu sein und großer Kratzer sind auch nicht drin, wo was hängenbleiben könnt – ihr habt eure Gäste wohl gut im Griff. Naja wenigstens bis auf die, die einfach andere drauf abladen.“ nur kurz grinst sie verhalten, ehe sie weiter die Asche in die breite Platte reibt.

Ninim hat inzwischen begonnen, die Theke abzuwischen. Sie geht dabei recht behände zu Werke, trotzdem schaut es keineswegs oberflächlich aus. Sie schaut kurz zu Lenari. Ein Grinsen legt sich auf ihre Lippen.

„Es gehört zu meinem Beruf, die Gäste im Griff zu haben,“ antwortet sie, während sie sich wieder um ihren Tresen kümmert. „Und, um ganz ehrlich zu sein, es gibt auch niemanden, der es sich mit Ninim verscherzen will. Unter anderem wohl auch deshalb, weil der Silberkrug das einzige Gastlokal auf der Insel ist. Und wenn du hier einmal Hausverbot hast, dann war es das also mit Stancheks Bier trinken. Und wenn du dir dann kein eigenes braust, dann hast du halt noch Roalds Pisse. Und an das musst du dann erst einmal kommen. Roald ist nicht gerade für seine Gastfreundschaft bekannt.“

Sie legt nun den Lappen in eine Schüssel mit Wasser und kommt hinter der Theke hervor. Viel langsamer als vorhin geht sie zu Lenari und zu dem Tisch. Eine Weile beobachtet sie Lenaris Mühen. Dann fragt sie: „Du bist doch auch eine von denen, die gerade erst hier aufgeschlagen sind, oder?“

„Ja mich hat´s vor ein paar Tagen hierher verschlagen – keine Ahnung wie, wieso und warum.“ kurz richtet sich Lenari auf. „Ich hab mir zuhause zwar manchmal gewünscht, einmal irgendwo anders zu sein. Nimm es mir nicht übel,aber...“ mit einem halben Lächeln zuckt sie mit den Schultern „Plötzlich hier zu landen ist total verrückt, erst dachte ich ich hab zuviel getrunken. Hier gibt’s wieviel, ne Handvoll Leute ? Dazu staubige Hütten, komische Lichter nachts...alles irgendwie abgedreht.“

Lenaris Erklärung zaubert ein hübsches Lächeln in Ninims Gesicht. Sie setzt sich auf einen Tisch in der Nähe.

"Es stimmt schon," antwortet sie dann, "hier kennt irgendwann jeder jeden. Hat aber auch seine Vorteile, weil du immer weist, woran du bist. Und du kannst mir glauben, wenn du ein paar Regeln einhältst, lässt es sich hier wunderbar leben. Eigentlich gibt es eh nur eine Regel, und zwar die Yurei nicht herauszufordern. Und vielleicht den Kopf einzuziehen, wenn die Marodeure kommen."

Von der Mimik, von der Betonung der einzelnen Wörter her hat man eindeutig den Eindruck, als hätte Ninim mehr Respekt vor den Marodeuren als vor den Yurei. Und so wird sie auch wieder komplett ernst, schweigt ein wenig und schaut nachdenklich vor sich auf den Boden. Dann hebt sie wieder den Blick und schaut wieder zu Lenari.

"Ein anderer, der auch erst kürzlich hier her gekommen ist, Keresin, hat mir von seinem Reich erzählt," erzählt sie dann. "Wäre schon schön, sich das einmal anzusehen. Kommst du denn aus demselben Ort?"

Während Nimin Platz nimmt, schrubbt Lenari weiterhin die Tischplatte. „Schon klar, Regeln gibt’s überall. Ist nur schwierig, wenn man die Regeln nicht kennt – und bislang hab ich nur zwei Sachen mitbekommen, geh nachts nicht raus und Yurei sind schlimm.“ die junge Frau hebt den Kopf und schaut zur Schankmaid hinüber. „Das ist nicht gerade sehr aussagekräftig, oder ? Ich mein Marodeure in Ordnung, das sind vermutlich sowas wie Straßenräuber. Aber die anderen, die...wie heißen die ? Yurei ? Sind das auch Fremde oder Magiebegabte oder was ? Bisschen mehr Info wäre schon schön.“ sie wringt den schmutzigen Lappen aus, ehe sie mit ihrer Arbeit fortfährt.

„Keresin ? Nein er kommt aus einer anderen Gegend, der Ort heißt Vorovis. Ich komme aus der Allianz – das ist eine ganz andere Gegend. Ich weiß gar nicht wie weit die Städte auseinander sind, aber ich glaube das müsste man viele Monde reisen.“ sie zuckt mit den Schultern. „Ich bin noch nie aus meinem Wohnviertel rausgekommen, naja bis jetzt.“

Ruhig sitzt Ninim noch immer auf der Tischplatte und schaut Lenari beim Schrubben zu. In ihren Augen spiegelt Zufriedenheit - die Blutflecken sind inzwischen nur mehr dann zu sehen, wenn man nach ihnen sucht - und weíß, wo sich denn Iras Lebenssaft in die Fasern des Holzes gesogen hat. Dann sieht sie wieder zu Lenari. Noch immer ist ihr Blick kühl, kann womöglich gar nicht anders, doch diese Überheblichkeit scheint wenigstens für den Moment weg zu sein.

„Yurei sind Geister,“ antwortet sie. „Mann sollte sich nicht mit Geistern anlegen, denn Geister sind jedem überlegen. Marodeure kommen alle paar Stürme auf die Insel. Irgendjemand sollte sich wohl mit denen anlegen, denn sie ziehen mordend und plündernd durch die Häuser. Ich für meinen Teil verstecke ich mich da lieber, hoffe, nicht gefunden zu werden und dass andere sie auf die Eisfelder schicken. Wer weiß, was die alles mit jemandem wie mir anstellen würden, bevor sie mich zu Yorom schicken. Und wenn ich mir dich ansehe, so rate ich dir, genau dasselbe zu tun. Du siehst nicht wie eine Kriegerin aus.“

Sie macht eine kurze Pause, dann fährt sie fort: „Um ehrlich zu sein, ich bin aus dieser Stadt auch noch nie herausgekommen, und ich weiß gar nicht mehr, wann ich den Silberkrug zuletzt verlassen habe. Ich meine, was soll ich auch anderswo. Irgendwann kommt jeder hierher. Außer die Yurei. Und mir da draußen sinnlos die Füße dreckig machen, darauf habe ich echt keine Lust. Aber wenn ihr so erzählt von euren Inseln, da bekomme ich schon nicht übel Lust, das mal zu sehen. Keresin meinte, Vorovis wäre riesig groß, mit Tausenden von Leuten. Ich denke, da wird es wohl um einiges lustiger zugehen, als hier. Ich meine, viel los ist hier ja nicht.“

„Aber wenn du noch nie weg von der Stadt warst, dann weißt du ja auch gar nicht, ob´s vielleicht ein paar Tage weiter nicht doch eine Stadt gibt – oder wenigstens ein größeres Dorf.“ erwidert Lenari ein wenig verwundert. „Stell dir mal vor, da gibt’s jede Menge Leute, ein Badehaus, einen Händler mit Schmuck und Kleidung und du wüsstest es nicht...“ sie legt den Kopf ein wenig schief. „Da würden sich ein Paar schmutzige Füße schon mal lohnen, oder nicht ?“ sie lässt die Frage einfach mal im Raum stehen, ehe sie das Thema wechselt.

„Krieger – tja das ist echt nicht meine Stärke,“ entgegnet sie mit einem leichten Schmunzeln. „Ich find allerdings das Getue um starke Männer und harte Kerle wird manchmal übertrieben. Klar können die sich verteidigen, aber ohne die, die ihnen was kochen oder die Klamotten flicken..naja da wäre der eine oder andere auch ganz schön aufgeschmissen.“

Ninim legt den Kopf schief. Während sie Lenari anschaut, erscheint ein Hauch einer Falte zwischen ihren Augenbrauen.

„Gäbe es hier irgendwo ein größeres Dorf, gar eine Stadt, so wäre irgendjemand schon einmal dortgewesen,“ sagt sie. „Und du kannst mir glauben, Ninim hätte dann davon gehört. Würde es da ein Badehaus geben, jemand hätte Ninim dahin eingeladen. Also, ich muss nicht jeden Fußbreit dieser Insel betreten, um zu erfahren, dass es außer dieser Stadt keine Ansiedlung mehr gibt.“

Sie schaut sie eine kurze Weile lang an, dann fügt sie hinzu: „Und du kannst mir ebenso glauben, wenn die Marodeure kommen, dann scheren die sich reichlich wenig darum, ob. Du ihnen was kochen oder die Klamotten flicken kannst. Entweder jemand tötet sie, oder sie töten irgendwann dich. Mit den Marodeuren kann man nicht verhandeln. Und da wirst du um jede starke Hand froh sein. Sie dich also vor, dass du nicht völlig allein bist, wenn sie das nächste Mal kommen. Denn irgendwann kommen sie bestimmt.“

„Tja wenn das so ist, dann lässt sich das nicht ändern.“ entgegnet Lenari mit einem Schulterzucken. Entweder nimmt sie Nimins Warnungen nicht so recht ernst oder sie pflegt eine recht pragmatische Lebenseinstellung, vermutlich dürfte eher letzteres der Fall sein, so wie sie recht gemütlich ein vorerst letztes Mal über die Tischplatte wischt und den Lappen danach auswringt. „So jetzt nochmal mit klarem Wasser drüber, dann sieht der Tisch eigentlich wieder gut aus oder ?“ kritisch begutachtet sie die gereinigte Oberfläche.

Etwas verwundert sieht Ninim die hagere Gestalt vor sich an. Sie antwortet jedoch nichts, vielmehr geht ihr Blick auf die Tischplatte. Zufrieden nickt sie.

"Ich würde sagen, der Tisch sieht sehr gut aus," sagt sie dann anerkennend. "Also, ich habe dir versprochen, ich geb dir einen aus. Magst ein Bier oder lieber etwas Gebranntes?"

Sie gleitet von der Tischplatte und sieht Lenari nun fragend an.

"Schön, dann mach ich das noch fertig und dann können die nächsten Gäste das hübsche Möbel wieder einsauen," erwidert die junge Frau mit einem leisen Lachen, ehe sie den Eimer voller Schmutzwasser wieder Richtung Küche trägt und gleich darauf mit einer Eimerladung sauberem Wasser und einem Lappen zurückkommt, um die Putzaktion abzuschließen. Letztlich trocknet sie sich noch sorgfältig die Hände ab und mustert kritisch die eigene Kleidung voller Wasser- und Schmutzflecken. "Ein Bier wäre schön, danke."

Ninim geht zur Theke, nimmt zwei große, irdene Becher vom Bord und füllt sie an dem Bierfass, das hinter der Theke auf einem Bock steht. Dann nimmt sie noch einen trockenen Lappen, legt ihn sich über den rechten Unterarm, krallt sich die zwei Becher und kehrt zu Lenari zurück. Sie stellt die Becher auf den nächstgelegenen Tisch und beginnt, den Tisch dort, wo Lenari nachgewischt hat, trockenzureiben. Und in der Tat, Lenari hat ganze Arbeit geleistet: Der Tisch ist wie neu - wenn er freilich inzwischen etwas heller erscheint als die anderen Tische in der Gaststätte. Was auf der anderen Seite wiederum ein Indiz dafür darstellt, dass Lenari wohl des öfteren gegen diesselbe Arbeit im Silberkrug zechen können wird. Irgendwann ist der Tisch also sauber und trocken. Ninim wirft sich den ihren Lappen über die Schulter, nimmt die zwei Becher und hält einen Lenari hin.

"Sehr zum Wohle," sagt sie dabei. Und, nach dem obligaten Anstoßen und dem ersten Schluck, fügt sie hinzu: "Und nun? Weißt du schon, was du hier zu beginnen gedenkst?"

Ein leichtes Achselzucken begleitet den ersten Schluck Lenaris, ehe sie den Becher zurück auf den Tisch. „Keine Ahnung. Ich mein, da arbeite ich zuhause so vor mich hin und wuschhhhh“ sie wedelt mit den Händen „bin ich plötzlich hier – wo auch immer das ist. Wie das überhaupt geht ? Wissen die Götter...und vor allem was das eigentlich soll, ist auch eine von zwei Handvoll Fragen. Das macht alles so überhaupt keinen Sinn.“ sie seufzt ein wenig. „Aber auf jeden Fall haben sich die wichtigen Sachen auch hier nicht geändert, was zu Essen, vernünftige Klamotten und ein Schlafplatz.“ sie grinst verhalten und schaut zu Nimin hinüber. „Hört sich bestimmt voll dumm an, was ?“

Ninim grinst sachte. Sie nippt vielmehr von dem Bier, als sie wirklich daraus trinkt. Dann lässt sie den Becher sinken. Auch sie zuckt nun mit den Schultern, hält den Kopf leicht schief. Sie scheint einen Augenblick lang nachzudenken, bevor sie antwortet.

"Dumm hört es sich auf jeden Fall nicht an," antwortet sie dann. "Ich meine, ich kann das schwer nachfühlen, plötzlich irgendwo anders zu sein. So weit ich mich erinnern kann, war ich ja immer nur hier. Wo das ist, weiß ich nicht. Hier ist nun einmal einfach nur hier, und wenn du noch nie anderswo warst, ist es auch schwierig zu sagen, wo du gerade bist. Es ist hier aber alles andere als schwierig, über die Runden zu kommen. Jeder braucht hie und da eine fleißige Hand, und jeder ist mehr als gewillt, etwas für die fleißige Hand zu geben. Und was das Dach über dem Kopf angeht... da hast du die Qual der Wahl. Musst nur aufpassen, dass die das Dach nicht auf den Kopf fällt."

„Ach einen Schlafplatz hab ich schon, ich glaube der ist ganz in Ordnung,“ entgegnet Lenari. „Da ist so ein kleines Häuschen mit nem großen Garten, wo lauter Lantissträucher stehen. Nicht weit weg von hier, ich denk da dürfte das Dach erstmal halten, solange es hier keine heftigen Stürme oder Unwetter gibt.“

Interessiert blickt sie Nimin an. „Weiß denn niemand von Euch Näheres über den Ort hier ? Ich mein bei uns zuhause gibt es Priester und weise Männer, die sich mit der Geschichte und so Dingen beschäftigen, gibt’s so jemanden hier auch ?“