Forum Übersicht - RE: Wieder im Lantisgarten - 6

Der Anpfiff von Keresin schmeckt Ira überhaupt nicht. Es liegt ihr schon eine giftige Antwort auf der Zunge. Doch dann nickt sie. Zielführen war es nicht gewesen, was sie da abgezogen hat. „Stimmt. Ich hab nicht daran gedacht. Wird nicht mehr vorkommen.“: sagt sie. Sie schaut ein bißchen säuerlich dabei. Aber sie scheut sich auch nicht den Fehler einzusehen. Als Sundara Keresin anschaut mit diesem speziellen Blick,fragt sie sich ob Keresin inwändig mit Blei ausgegossen ist. Obwohl Sundara gar nicht sie anschaut, werden ihr die Knie weich. Keresin ist kühl wie immer. Ist er so weltanschaulich gefestigt oder nur ein guter Schauspieler? Mit einem leisen Fluch dreht sich Ira weg. „Schluß damit! Zu Lijan mit dem ganzen Ketzerpack!“: weist sich sich im Gedanken zurecht. Sie reißt sich zusammen. Sie nickt als Sundara was von anpacken sagt. Dann schaut sie einen Augenblick überrascht. Die schleppt wirklich die Bohnenstange in den Keller. Auch gut. Wenn sie bei der Hitze gern Leute durch die Gegend schleppt, ihr solls recht sein. Sie steigt hinter Sundara hinunter und schaut sich neugierig um. Aber ihre Waffenhand ist nicht weit weg vom Griff der Asnivala.

Die Reaktion Iras beindruckt Keresin, obwohl er es nicht zeigt. Es gehört schon einiges dazu ohne Umschweife vor Fremden offen einen Fehler einzugestehen. Was für einen Offizier hätte Ira abgegeben bei der richtigen Führung! Stattdessen ist sie in der Garnison verkommen. Was für eine Vergeudung! Kersin reißt sich von seinen Betrachtungen los und nickt Ira zu. Er steigt kanpp nach ihr die Leiter hinunter. „Wartet einen Moment! Ich habe euch von dieser grünen Leuchterscheinung erzählt. Wir hatten Glück und sind so gestanden, daß uns das Licht nicht getroffen hat. Weiß Lijan was diese Erscheinung ist und ob sie nochmals in Erscheinung tritt. Aber wir sollten vorsichtig sein. Ich schlage vor, daß einer von uns hier in diesem Raum zurück bleibt um im Notfall eingreifen zu können oder Hilfe zu holen wenn es uns so erwischen sollte, wie mich in dem Wachhaus.“ Keresin schaut von Ira zu Sundara und wieder zurück.

Sundara macht es Keresin gleich, sie schaut zunächst zu ihm, dann zu Ira, dann wieder zu ihm zurück. Sie streicht sich die Haare aus dem Gesicht, die dort auf der schweißnassen Haut kleben. Dann nimmt sie den Bogen aus dem Köcher, kramt die Sehne aus dem Bogenköcher hervor und spannt sie auf. Sie gibt den Bogen wieder in den Köcher. Wieder schaut sie zu Ira, dann wieder zu Keresin. Ihr Blick ist kühl, sachlich, konzentriert.

„Es ist mein Schlüssel,“ unterbricht sie das nun aufgetretene Schweigen. „Ich habe ihn gefunden. Wenn jemand durch diesen Schlüssel draufgehen sollte, dann bin ich es. Ich gehe also ganz bestimmt.“

Und bestimmt klingt es auch, was sie sagt. Ruhig, aber bestimmt, so bestimmt, dass den beiden Vorovisen klar sein sollte, dass sie ihnen den Schlüssel kaum übergeben wird, um danach hier bei Lenari tatenlos herumzusitzen.

Ira hat schon den ersten Schritt auf den dunklen Zugang zugemacht, als Kersin was von warten sagt. Sie bleibt stehen und dreht sich um. Spektakulär ist das Kellerloch wirklich nicht. Ira ist fast so was wie enttäuscht. Nicht viel mehr als nackte Wände und ein Schrank. Was aber auffällt ist das kein Dreck oder Schutt herum liegt. Dann hört Ira Keresin zu. Schon wieder grünes Licht! Irgendwer hier scheint auf die Farbe abzufahren. Schon am ersten Tag hatte irgendwer von grünen Licht gefaselt. Aber was Keresin sagt ist vernünftig. Wenn etwas schief gehen sollte war es immer gut jemand in Reserve zu haben. Mit einem schnellen Seitenblick streift Ira Sundara. Sie wartet nicht bis Keresin wieder was sagt. Es ist zwar keine mustergültige militiärische Haltung, aber sie stellt sich gerade hin. „Melde mich freiwillig zum Einsatz mit Sundara!“: sagt sie im typischen Tonfall aller Soldaten, die einen Offizier anreden. Sie tut es ganz automatisch. So wie sie es fast ihr ganzes Leben als Erwachsene gemacht hat. In ihrer geraden Haltung wartet sie auf eine Antwort.

In der Reichsarmee hätte jeder Vorgesetzter Ira für diese Meldung mindestens zu einer Woche Latrinendienst verdonnert, aber für Garnisonsverhältnisse ist ihre Haltung noch annehmbar. Wieder ist Kersin erstaunt. Der Seitenblick Iras auf Sundara ist ihm nicht entgangen. Er hatte keinen Moment angenommen, daß sich die Elurierin von dem Schlüssel, den sie gefunden hatte, trennen wird. An und für sich hatte er vorgehabt, Ira bei der Allianzlerin zu lassen und selbst mit Sundara zu versuchen, die vermeintliche Türe zu öffnen. Für einen Moment überlegt er das Für und Wider Ira an seiner Stelle in den anderen Raum zu schicken, dann nickt er. „Gut, geh du mit Sundara. Ich bleibe hier auf Posten. Aber keine wilden Aktionen! Bei dem geringsten, ungewöhnlichen Phänomen, raus da und volle Deckung. Verstanden, Rottenführer?“ Instinktiv ist auch Keresin in den militärischen Tonfall der Reichsarmee verfallen ohne darüber nachzudenken, daß er selbst Ira vom Dienst suspendiert hatte. Dann sieht er zu Sundara. „Das gilt auch für dich. Keine unnötigen Risken! Wir haben nicht die geringste Ahnung wem oder was wir gegenüberstehen. Ich habe Glück gehabt, aber das bedeutet nicht, daß es jedesmal glimpflich abgeht. Also paßt auf euch auf.“

Kurz schaut Sundara zu Ira, dann geht ihr Blick wieder zu Keresin. Es ist ein Blick, der verwundert und bewundernd gleichzeitig erscheint. Nun hat Sundara wirklich nichts dagegen, mit Ira auf diese Entdeckungsreise zu gehen, ja, eigentlich, wenn sie genau nachdenkt, ist es eigentlich das, was sie sich eigentlich gewünscht hat. Und trotzdem: Dass Keresin so aus freien Stücken darauf verzichtet, die Tür, die er selbst entdeckt hat, zu erkunden, ist doch merkwürdig - merkwürdig im positiven Sinne. Sie hat viele Anführer kennen gelernt, und bisher hat es nur einen Grund gegeben, dass ein Anführer nicht in vorderster Front marschiert ist: Wenn er einfach Angst gehabt hat, sein Leben zu riskieren. Nun kann sie sich genau dies bei Keresin irgendwie nicht vorstellen. Umso mehr verwundert sie eben der Rückzug des Vorovisen, und somit überrascht sie auch die etwas unvorhersehbare Kombination dieses Erkundungstrupps. Aber wieder dauert der Blick nur zwei oder drei Augenblicke, dann kommt wieder der konzentrierte Blick der Kriegerin zum Vorschein. Nun wissen freilich die Götter, was sich Keresin nun als Reaktion bei Sundara erwartet hat. Und es ist dabei ziemlich einerlei, ob man nun an die des Alten oder des Neuen Kultes glaubt. Jedenfalls nicht sie ihm kurz zu, dann knallt sie die Stöckel der Stiefel zusammen.

„Zu Befehl!“

Freilich ist die Haltung dazu nicht ganz so straff, wie Keresin es aus der vorovisischen Armee gewohnt ist. Vielleicht ist es auch in der vorovisischen Armee unüblich, dass sie im nächsten Augenblick auch schon wieder den Blick abwendet und Ira lautlos, aufmunternd zunickt. Da es jedoch überaus ernsthaft und bar jeder Ironie erscheint, ist diese Reaktion eines elurischen Soldaten einem vorovisischen Offizier gegenüber doch bemerkenswert. Eine Reaktion Keresins wartet Sundara jedoch nicht ab. Schon dreht sie sich um und geht in die Richtung, in der die Tür naturgemäß liegen muss. Die Kopfbewegungen der Bogenschützin werden den Vorovisen verraten, dass sie dabei die Wände genau beobachtet. Ansonsten wirkt ihre Körperhaltung ausgesprochen locker. Sie scheint zwar nicht unvorsichtig zu sein, angespannt oder gar ängstlich ist sie sicher nicht.

„Verstanden!“: bestätigt Ira. Sie stellt sich wieder normal hin. Als Sundara vor Keresin Haltung annimmt, die Hacken zusammenschlägt und Jawohl sagt schaut sie ziemlich dumm aus der Wäsche. Das ist das erste Mal in ihrem Leben, daß sie eine Ketzerin vor einem Vorovisianer stramm stehen sieht. Ganz hat sich Ira noch nicht erfangen, als Sundara schon auf den dunklen Durchgang zumarschiert. Da fällt Ira was ein. „Warte! Wir haben kein Licht. Die Laterne ist noch Oben. Ich komm gleich.“: sagt sie und steigt flink die Leiter hoch. Dabei rutscht der Kittel so hoch, daß man sehen kann, das sie drunter nichts an hat. Sie bringt die kleine Laterne schnell zum Leuchten. Dann steigt sie wieder hinunter. Die kleine Lampe leuchtet nicht den ganzen Raum aus. Aber das Licht ist hell genug um was zu sehen und nicht über die eigenen Füße zu stolpern. Mit der Rechten lockert sie routinemäßig ihre Asnivala. „Auf geht’s.“: sagt sie zu Sundara. Ira hält die Lampe hoch und bleibt ein,zwei Schritt rechts hinter der Elurierin. So hat sie Freiraum wenn sie ziehen muß. Jetzt ist Ira sehr konzentriert. Ihre dunklen Augen sind ständig in Bewegung.

Während sich die beiden Frauen langsam den Gang entlang vorarbeiten, schlägt Lenari langsam die Augen auf und setzt sich gleich darauf ruckartig auf. Die Hand an den schmerzenden Hinterkopf gelegt, schaut sie sich verwirrt um, ehe ihr Blick auf den zurückgebliebenen Keresin fällt. So ganz bringt sie die Sachlage offenbar nicht zusammen - einen Stock tiefer als zuvor und irgendwie nicht auf eigenen Beinen dahin gekommen. „Was zur Hölle ist hier los ?“

Nur mit Mühe kann sich Keresin das Lachen verbeißen, als Sundara vor ihm Haltung annimmt. Die Ironie ist fast zuviel für seine Selbstbeherrschung. Was für eine Streitmacht! Er hatte Hunderschaften im Kampf kommandiert und jetzt stehen eine Ketzerin und eine Garnisonssoldatin vor ihm stramm. Doch dann ruft er sich selbst zur Ordnung. Mut und Einsatzbereitschaft sind immer anerkennenswert, wer auch immer sie zeigt! So nickt er Sundara zu. „Hostinos mit euch!“: sagt er knapp und erhascht noch einen Blick auf Iras nackten Hintern als sie die Leiter hochsteigt. „Was für eine Frau!“: seufzt Keresin im Gedanken. Doch es bleibt ihm nicht lange Zeit über Iras Figur nachzudenken. Schon ist Ira mit der Lampe wieder da und die beiden Frauen rücken vor. Keresin zieht seine Asnivala und bezieht an dem Durchgang so Position, daß er zwar halbwegs gedeckt ist aber sofort eingreifen kann, wenn es notwendig werden sollte. Als er konzentriert mit seinem Blick den Beiden folgt, hört er Lenari im Hintergrund. „Sie versuchen die Türe zu öffnen wenn es eine Türe ist.“: antwortet Keresin ohne sich umzudrehen. „Bleibt besser wo ihr seid.“

Der Schweiß auf Sundaras Haut glänzt im Schein der Fackel, den Ira trägt. Und das Hemd ist inzwischen so weit dezimiert, dass von hinten auch recht viel zu sehen ist. Die Striemen an ihrer rechten Schulter sind fast verheilt, nur leichte Krusten sind noch zu sehen. Das Hemd ist eine gute Handbreit unterhalb ihrer Schulterblätter schlampig verknotet. Ärmel hat es keine mehr, die sind in dieser doch kurzen Zeit auf der Insel samt und sonders in Verbände umgewandelt worden. Und so ist auch der Blick auf ihre Arme frei, schweißglänzend, die Muskeln gut sichtbar, was durch die Reflexe des flammenden Lichtes freilich noch verstärkt wird. Die Hände hält sie leicht abgespreizt, die rechte stets in der Nähe des Köchers an ihrem rechten Oberschenkel. Sundaras - wie Ira zu sagen pflegt - „süßer Arsch“ wiegt leicht hin und her, wie sie fast lautlos und langsam den Gang entlanggeht. Vor Sundara kehrt sich der Gang bald in Dunkelheit. Sundaras Augen schweifen immer wieder über die Wände, sie horcht angestrengt in die Dunkelheit. Sie weiß Ira hinter sich, sie merkt in der Entfernung zur absoluten Dunkelheit, dass die Entfernung konstant bleibt. Sie macht keinerlei Anstalten, sich umzudrehen. Sie würde hören, sollte von hinten etwas kommen. Außerdem weiß sie da Keresin, und versteckte Türen kann sie nicht ausmachen. Schließlich hört die Dunkelheit vor ihnen auf. Der Schein der Fackel erfasst die Tür. Ihre Hände gehen nach vorne, sie nestelst an dem Verband an der verbrannten rechten herum, zieht den Schlüssel heraus. Erst als sie unmittelbar davor steht, schaut sie zu Ira zurück. Ihr Blick ist immer noch konzentriert, ungewohnt kühl, ihre Lippen umspielt ein freudig erwartungsvolles Lächeln.

„Jetzt müssen wir nur noch das richtige Schlüsselloch finden,“ sagt sie leise.

Im Moment interessiert Ira Sundaras süßer Arsch nicht. Sie ist voll von ihrer Aufgabe in Beschlag genommen. Mit allen Sinnen lauert sie auf etwas Seltsames, Gefährliches. Hier unten ist es etwas kühler. Aber auch ihr Kittel ist durchgeschwitzt. Immer wieder wischt sie sich mit der linken Unterarm den Schweiß von der Stirne. Es ist die Hand mit der Lampe. So tanzt das Licht jedesmal wenn sie wischt über die Wände. Ihre andere Hand ist nur ein paar Clat vom Asivalaknauf weg. Ira versucht gar nicht erst nachzudenken was das da um sie sein könnte. Der Wände sind weder gemauert noch verputzt. Der Fußboden hat ein flaches Relief, völlig regelmäßig. Besonders seltsam ist das Glasgebilde an der Decke. Wie eine eingemauerte Glasschüssel mit irgendwas drin. Ira flucht leise als sie die Stimme Lenaris aus dem Keller hört. „ Jetzt haben wie die Bohnenstange wieder im Genick, verdammt noch einmal. Ich hätt ihr doch eins aufs Dach geben sollen.“: mault sie. Aber sie läßt sich keinen Moment ablenken. Sie wartet ein, zwei Atemzüge als Sundara was von Schlüsselloch finden sagt. Dann fragt sie: „Und? Was gefunden?“

Es dauert eine Weile, bis Sundara antwortet. Lenari erwähnt sie in keinem Wort. Ohne sich umzudrehen murmelt sie mehr, als sie sagt: „Noch nicht, außer das das komische Ding hier zu leuchten begonnen hat. Das müsste doch eigentlich ein gutes Zeichen sein... wenn ich nur noch wüsste, wo ich es reinstecken muss...“

Eine kurze Weile lang schaut sie noch auf die Türe vor sich. Sie zögert, die Platte anzufassen. Keresins Warnung steckt ihr noch in den Ohren. Aber sie geht nun ganz nahe an die Platte heran, untersucht jeden Clat der Türe. Eine flache Platte, ohne jegliche Einbuchtung, ohne irgendein Zeichen auf ein Schlüsselloch. Sie schaut wieder auf den vermeintlichen Schlüssel, der leise vor sich hin glimmt.

„Kann natürlich auch sein, dass das Schlüsselloch gar nicht an der Türe ist, sondern irgendwo in der Wand...“ fügt sie schließlich nachdenklich hinzu, wieder mehr vor sich hingemurmelt als gesagt. Während dieser Satz für Ira jedoch auf jeden Fall gut zu verstehen ist, ist das Ende schließlich zu leise. Die Betonung lässt darauf schließen, dass es ein Fluch sein muss. Sie kratzt sich am Kopf, dann streckt sie langsam den Fuß aus, legt den Stiefel an die Platte und übt damit zunehmend Druck auf die Platte aus.

So ruhig wie er da steht ist Keresin nicht. Schon immer hatte er das Warten auf den Einsatz als belastender empfunden als den Einsatz selbst. Außerdem ist ihm nicht wohl bei dem Gedanken, daß Ira möglicherweise etwas zustoßen könnte, weil sie an seiner Stelle die Elurierin deckt. Aber eine Zurückweisung ihrer freiwilligen Meldung wäre ein schwerer Affront gewesen, den man nicht leichtsinnig provoziert. Trotzdem das es hier Unten kühler ist, spürt er wie ihm der Schweiß zwischen den Schulterblättern herabrinnt. Mit gezückter Klinge spät er in den Raum in dem sich Sundara an der Türe zu schaffen macht. Viel scheint dabei nicht herauszukommen. Teils um seine Spannung zu kanalisieren, teils um Lenari nicht aus Neugierde in den Korridor laufen zu lassen sagt er über die Schulter ohne in seiner Wachsamkeit nachzulassen. „Sie sind jetzt an der Türe. Sundara versucht es jetzt mit Kraft, aber es sieht nicht danach aus, als ließe sich die Türe dadurch aufmachen.“ Ein wenig später fügt er noch dazu: „Wenn es überhaupt eine Türe ist. Langsam habe ich das Gefühl, daß hier nichts ist, wie es auf den ersten Blick aussieht.“